Zwischen Stadtrivalen und Nationalteams: Ella Ljuština

Damjan Bardak

Sie spielte einst für den FCZ, nun für den Stadtrivalen GC, war in diversen U‑Nationalteams der Schweiz dabei und ist nun gesetzte kroatische Nationalspielerin. Ella Ljuština ist eines der grössten Talente der Women’s Super League. Wegen einer Knieverletzung ist sie aber rekonvaleszent.

Voller Tatendrang steht die Nummer 8 der Grasshoppers Zürich am 27. Juli vergangenen Jahres im Sportpark Valz­nerweiher auf dem Max-Morlock-Platz der Stadt Nürnberg, um sich mit dem 1. FC Nürnberg zu messen. Es ist das vorletzte Freundschaftsspiel für die Mittelfeldspielerin Ella Ljuština und ihre Mitspielerinnen, bevor in zwei Wochen der Betrieb der Women’s Super League startet. Letzte taktische Änderungen werden vorgenommen, die Spielerinnen stellen vor Ligastart ihr Können unter Beweis, und der damalige Trainer Gabor Gallai feilt an seiner Startelf für das Auftaktspiel gegen den FC Aarau.

Im Spiel der Grasshoppers sticht die Nummer 8 heraus. Die Ballverteilerin ­lanciert zahlreiche Angriffe und bringt durch ihre kreativen Ideen Unberechenbarkeit ins Spiel der GC-Frauen. «Ich war äusserst motiviert und bereits aufgeregt auf den kommenden Ligastart», sagt Ella Ljuština. Die Vorbereitung sei gut gelaufen und sie habe sich riesig auf die Pflichtspiele gefreut. Zu diesem Zeitpunkt kann sie nicht wissen, dass ihre Saison bereits beendet sein wird, bevor sie überhaupt angefangen hat. Denn während eines Richtungswechsels ohne gegnerische Einwirkung verletzt sich Ljuština. Die Diagnose lautet Kreuzbandriss – woraufhin die Spielerin viele Monate ausfällt.

Sie erlebt ersten grossen Rückschlag

Trotzdem lässt sich die kämpferische Spielerin nicht unterkriegen und nimmt sich Zeit für ihre Heilung. In der Vorbereitung für die nächste Saison im Sommer 2025 erwartet die GC-Spielerin ihr Comeback. Allerdings möchte die 22‑Jährige nichts überstürzen, um weitere Probleme an ihrem Knie zu verhindern. Eine Verletzung sei zudem nicht nur eine physische Belastung, wie die Mittelfeldspielerin meint. «Mental macht solch eine Verletzung Probleme. Allerdings habe ich diese zusammen mit meinem Umfeld gut überstanden.» Für die junge Spielerin ist es die erste grosse Verletzung ihrer Karriere – doch sie verarbeitet diese wie eine Veteranin.

Mittlerweile ist Ella Ljuština wieder auf dem Rasen zu finden, wo sie zusammen mit dem Team-Physio Läufe mit Ball übt. «Ansonsten bin ich viel im Kraftraum, auf dem Heimtrainer oder am Joggen.» Auf jeden Fall hält sich die Spielerin fit, um noch  stärker zurückzukommen.

Von Fussballplatz zu Fussballplatz

Um eine professionelle Karriere im Fussball zu bestreiten, musste Ella Ljuština auf vieles verzichten. Während ihre Kolleginnen, die keinen Leistungssport betrieben, in den Ausgang gingen, trainierte sie für ihre Spiele. «Das hat mich jedoch nie gestört, da der Fussball meine grosse Leidenschaft ist», sagt die Hopperin.

 

«Als ich in Zürich ankam, ging alles extrem schnell. Auf einmal war ich Spielerin der ersten Mannschaft.»

Ella Ljuština, Mittelfeldspielerin GC-Frauen

 

Bereits im Alter von zwölf Jahren wurde sie im nationalen Leistungszentrum für Frauenfussball (NLZ) in Biel aufgenommen und trainierte mit den besten Mädchen der Schweiz. Tagtäglich war sie am Ball und ging von Fussballplatz zu Fussballplatz. «Für mich ist das nach wie vor ganz normal. Anders kenne ich es nicht», sagt die Fussballerin. Während ihrer Zeit im NLZ in Biel wohnte sie bei ­einer Gastfamilie und kehrte jeweils nur am Wochenende in ihre Heimatstadt Schaffhausen zurück, um mit dem FC Schaffhausen Spiele zu bestreiten. Beim FCS war sie in Knabenmannschaften eingeteilt, da es zum einen noch keine Mädchenmannschaften auf dieser Stufe gab und zum anderen Ella Ljuština mit den Jungs technisch und physisch auf demselben Niveau war. Dazu sagt die Mittelfeldspielerin: «Früher war ich stets unter Jungs und hatte damit nie ein Pro­blem.» Auf nationaler Ebene durchlief Ljuština sämtliche U‑Nationalteams der Schweiz als Juniorin und Kapitänin der Mannschaft.

Ihr Name blieb nicht lange unentdeckt, woraufhin sich der Frauenrekordmeister FC Zürich die talentierte Mittelfeldspie­lerin angelte. Beim FCZ angekommen, spielte Ljuština ein halbes Jahr in der U19, ehe sie ein weiteres halbes Jahr in der U21 absolvierte und schliesslich in die erste Mannschaft berufen wurde. «Als ich in Zürich ankam, ging alles extrem schnell. Auf einmal war ich Spielerin der ersten Mannschaft», sagt die 22‑Jährige. Sie war auf ­Anhieb Stammspielerin beim FCZ und weckte das Interesse des Stadtrivalen GC. Dieser sicherte sich die Spielerin, die seither 55 Partien für die Grasshoppers bestritten, 11 Tore vorbereitet und 18 erzielt hat.

Der Wechsel zum Stadtrivalen

Angesprochen auf ihren Entscheid, vom einen Zürcher Verein zum anderen zu wechseln, reagiert Ella Ljuština gelassen. Zwar verstehe sie die Aufregung mancher bei Wechseln dieser Art, doch letztlich wechsle sie schlicht ihren Arbeitgeber. «Im Frauenfussball bekommen wir diese Emotionen nicht wirklich zu spüren. Es gibt keine Fans wie im Männerfussball, die uns als Verräterinnen beschimpfen oder anderweitig beleidigen», meint sie. Wäre dies der Fall, hätte sie es sich vielleicht ein zweites Mal überlegt – unter ihren Bedingungen habe sie jedoch nie an ihrem Wechsel gezweifelt. Zur ewigen Diskussion um den Wechsel des ehemaligen GC- und jetzigen FCZ-Spielers Steven Zuber meint Ljuština: «Bei ihm übertreiben die Fans. Ich sehe darin kein wirkliches Problem.» Schliesslich habe man im Frauenfussball schon mehrfach erlebt, dass Spielerinnen vom einen zum anderen Zürcher Klub gewechselt seien.

Nicht nur auf Klubebene musste Ella Ljuština eine heikle Entscheidung treffen. Als Doppelbürgerin hatte sie die Möglichkeit, für eine von zwei Nationen aufzu­laufen. Als gebürtige Schweizerin mit kroatischen Wurzeln wartete sie auf die Angebote der A‑Nationalmannschaften. Ljuština hatte insofern die Qual der Wahl, als ihr Entscheid nicht rückgängig gemacht werden kann. Eine Spielerin, die einmal für die A‑Nationalmannschaft einer Nation gespielt hat, kann nicht mehr für die andere antreten. Hingegen kann sich eine Spielerin für eine U‑Nationalmannschaft und später für eine andere A‑Nationalmannschaft entscheiden. Dieser Fall trat bei Ella Ljuština ein, die das Angebot der kroatischen Nationalmannschaft annahm. «Auf ein Angebot der Schweiz habe ich vergeblich gewartet», so Ljuština. Zudem habe sie sich für Kroatien entschieden, weil sie dort bessere Chancen gesehen habe, einen Stammplatz zu ergattern.

Als Kleinkind träumte sie von ihrem Idol Luka Modric. Heute spielt sie selbst in der kroatischen Nationalmannschaft.

Frauenfussball macht Schritte

Neben dem Platz ist die Kroatin ebenfalls engagiert. Sie arbeitet vier Tage die Woche zu fünfzig Prozent und am Mittwoch den ganzen Tag im Büro. «Gerne würde ich ein bisschen weniger arbeiten müssen», sagt Ljuština lachend. Doch erlaubt ihr der Fussball das nicht. Einige ausländische Spielerinnen bei GC könnten von ihren Gehältern leben – für Ljuština würde das momentan nicht ausreichen. Trotzdem nimmt sie wahr, dass sich der Frauen­fussball in eine erfreuliche Richtung entwickelt. Weltweit werden stetig neue ­Zuschauerrekorde gebrochen, und im Winter kam es in England zum ersten Millionentransfer. «Das macht mich als Spielerin stolz. Auch bei uns werden es immer mehr Zuschauer», so Ljuština. Dennoch meint sie, dass der Frauenfussball noch weit vom Männerfussball entfernt sei und es reichlich Luft nach oben gebe.

Zudem freut es sie, dass sich die Schweiz mit der Austragung der Europameisterschaft in diesem Sommer an der Entwicklung des Frauenfussballs beteiligt. Zwar konnte sich ihre Mannschaft nicht qualifizieren, dennoch ist sie gespannt auf das Turnier direkt vor ihrer Haustür. «Ein Turnier in der Schweiz finde ich wunderbar», sagt die Fussballerin.

Noch Chancen auf den Titel

Bis dahin unterstützt Ella Ljuština ihre GC-Mitspielerinnen, die sich aktuell auf dem sechsten Platz der Women’s Super League befinden und aufgrund des Playoff-Modus trotzdem Chancen auf den Meistertitel haben. «Für die Mannschaft wünsche ich mir den Einzug in den Playoff-Final und den Meistertitel.» Sie fährt scherzend fort: «Und wenn das nicht klappt, dann hoffentlich, wenn ich wieder zurück bin».

Weitere Infos zur Women’s Super League und zu GC: www.awsl.ch/axa-womens-super-league.aspx

Gwunderbrunnen

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