Vom Zürcher Seefeld zu den Oscars: 100 Jahre Praesens-Film

Patrick Holenstein

Inmitten von Zürich ist bis heute ein Stück Filmgeschichte zu Hause: Praesens-Film. Gegenwärtig feiert die älteste noch aktive Film-Produktionsfirma der Schweiz ihr 100-jähriges Bestehen. Im Landesmuseum Zürich wird dieses Ereignis bis 21. April mit der Ausstellung «Close-up» gewürdigt.

Praesens-Film wurde 1924 vom jüdischen Einwanderer Lazar Wechsler gemeinsam mit dem bekannten Flugpionier Walter Mittelholzer gegründet. Anfangs konzentriere sich die Zürcher Firma auf Werbefilme, wenig später ergänzten Auftragsfilme das Portfolio und bald Aufklärungsfilm, die auch für Kontroversen sorgten. Beispielsweise der Film «Frauennot – Frauenglück» von 1930, der das Thema Abtreibung thematisierte und auf viel Gegenwehr stiess. Das Gespür für soziale Themen zählte rasch zu den Stärken von Praesens-Film. Als der Bund in den 1930ern zur Geistigen Landesverteidigung aufrief, entstand mit «Gilberte de Courgenay» ein positiver und aufbauender Film, der bis heute tief in der Kultur des Landes verankert ist. Zudem wurde Anne-Marie Blanc mit dem Film zum Star.

Anfang der 1940er wurde der Sieg der Alliierten langsam absehbar und man widmete sich der Aufarbeitung derGeschichte. Mit «Marie-Louise» (1944)entstand ein Film um ein französisches Mädchen, das im Krieg Bombenangriffe erlebte und für ein halbes Jahre zur Er­holung in die Schweiz kommt. Inter­national wurde der Film gefeiert undbekam einen Oscar für das Drehbuch. Die Geschichte war Wechsler wichtig, weiler mit seiner Frau selbst ein Mädchen bei sich aufnahm. Der halbdokumentarische Film «Die Gezeichneten» von 1948 be­handelt die Geschichte vertriebenerKinder nach dem Krieg und wurde mit zwei Oscars ausgezeichnet.

Der erste Schweizer Farbfilm

Weiter hat Praesens-Film verschiedene wichtige Filme produziert: «Füsilier Wipf» (1938), «Wachtmeister Studer» (1949), namhafte Filme wie «Ueli der Pächter» (1955) oder «Hinter den sieben Gleisen» (1959) und «Es geschah in einer Nacht» (1958). «Nach dem Krieg wurde mit ‹Heidi› der Nerv der Zeit im Sinne von ‹Schweizer Heimat-Idylle› getroffen und mit ‹Heidi und Peter› der erste Schweizer Farbfilm geschaffen», ergänzt Praesens-­Film.

Ende der 1950er hatte das Schweizer Kino mit den steigenden Produktions­kosten zu kämpfen. Trotz Schwierig­keiten konnte sich Praesens-Film halten, intensivierte zunehmend den Verleih­bereich und holte etwa «Pulp Fiction» in die Schweiz. «Für die Zukunft nehmen wir die Herausforderung an, auch weiterhin gute Inhalte, die das Publikum begeistern, zu entwickeln und zu produzieren oder internationale und nationale Filme einzukaufen und zu vermarkten, im Kino und in allen weiteren Auswertungs­bereichen», unterstreicht Praesens-Film.

Zum Jubiläum gab und gibt es einige Anlässe. So hat das Kino Frame inZürich im Januar «Hinter den sieben Gleisen» und das Filmpodium im Februar  eine Retrospektive gezeigt. Das Landesmuseum hat gemeinsam mit der Cinémathèque suisse in Lausanne die sehenswerte Ausstellung «Close-up» zum Jubiläum kuratiert.

Gewinner dreier Oscars

Praesens-Film habe in der Geschichte des Schweizer Kinos eine enorme Bedeutung, betont die Cinémathèque auf Anfrage. «Es ist das einzige Produktionsunternehmen im Land, das seit 100 Jahren existiert. Dann produzierte es einige der bedeutendsten Erfolge des Schweizer Kinos der 1930er- bis 1960er-Jahre im In- und Ausland: Als Gewinner von drei Oscars und zahl­reichen Preisen auf den grösstenFestivals der Welt erlangten dessen Filme ausserordentliche Berühmtheit und gelten bis heute als Klassiker, die immerwieder angesehen werden.»

«Ausserdem hat Praesens-Film durch die Vielfalt der produzierten Werke, von Auftragsfilmen über Spielfilme bis hin zu Dokumentarfilmen, vom Heimatfilm bis zu humanistischen und pazifistischen Werken, vom Thriller bis zur Komödie, dazu beigetragen, eine gewisse Vorstellung der Schweiz zu prägen: zwischen Stadt und Land, einladend, neutral und (fast immer) wohlwollend.»

Der Fokus der Ausstellung liegt einerseits auf den Menschen hinter denFilmen, aber auch auf den historischen Einflüssen wie dem Nationalsozialismus und auf der Leinwand als gesellschaft­lichem Spiegel. Ein Highlight der Aus­stellung ist der Oscar für das Drehbuch «Marie-Louise». Bis zum 21. April istdie Ausstellung für die Öffentlichkeitzugänglich.

Diese Kultur-Seite ist eine Zusammenarbeit des Lokalinfo-Verlags mit dem Zürcher Kulturmagazin Bäckstage.ch und erscheint einmal im Monat.

Verantwortliche Redaktorin: Dominique Rais (rad.)dominique.rais@lokalinfo.ch

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