Über Mütter und noch viel mehr Frauen
Pedro Almodóvar ist zweifellos der bedeutendste spanische Filmemacher der Gegenwart. Seine melodramatischen Filme, die sich durch eine starke visuelle Gestaltung auszeichnen, sind Fixpunkte des europäischen Autorenkinos. Dar Zürcher Filmpodium widmet ihm eine grosse Retrospektive.
«Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs» – was ist denn das für ein Filmtitel? Steckt da ein misogyner Regisseur dahinter, der das alte Klischee von der hysterischen Frau aufleben lässt? Der Verdacht täuscht: Pedro Almodóvars Film aus dem Jahr 1988, einer seiner bekanntesten, zeigt zwar ein Quartett überspannter Frauen, doch die Männerfiguren sind nicht minder schräg und grell, und der spanische Filmemacher zeichnet sie alle mit fast zärtlicher Anteilnahme. In all seinen späteren Filmen stehen dann starke Frauenfiguren im Mittelpunkt, die sich im Chaos der Gefühle und der Ereignisse und trotz aller schmerzlichen Erfahrungen ihre Würde bewahren. «Mein Ideal einer Geschichte ist eine Frau, die sich in einer Krise befindet», hat Almodóvar in einem Gespräch einmal geäussert.
Regisseur der starken Frauen
Mit dem Filmen begann Pedro Almodóvar in der Zeit des Übergangs Spaniens von der Franco-Diktatur zur Demokratie. Seine frühen Werke sind anarchische Akte der Befreiung von der gesellschaftlichen Erstarrung unter Franco. Ab 1995 kann man von seiner reifen Phase sprechen. In den meisten seiner Filme arbeitete er die Individualität seiner weiblichen Hauptfiguren heraus. Immer wieder engagierte er die gleichen Darstellerinnen, etwa Marisa Paredes, Carmen Mauro oder auch Victoria Abril und Cecilia Roth, vor allem aber Penélope Cruz. Sein internationales Renommee mündete letztes Jahr in einer englischsprachigen Produktion, «The Room Next Door», einem Freitoddrama mit Starbesetzung (Tilda Swinton und Julianne Moore). Der Film erhielt am Festival in Venedig den Hauptpreis, den Goldenen Löwen, und läuft zurzeit in den Kinos. Er ist der Anlass für die bis am 15. Februar dauernde Retrospektive, die das Zürcher Filmpodium Pedro Almodóvar widmet.
Das Filmpodium wird seit 1983 von der Stadt Zürich im vormaligen Kino Studio 4 im Zürcher Bankenviertel betrieben. Das Gebäude wurde 1949 erbaut, das Kino gestaltete der Bauhaus-Schüler Roman Clemens. Seit 1993 steht das Haus als Klassiker der Nachkriegsmoderne unter Denkmalschutz. Programmiert werden im Filmpodium Zyklen und Retrospektiven, die das gesamte Spektrum der Filmgeschichte abdecken. In der Regel werden die Filme auf mehrere Daten verteilt mehrmals gezeigt. Zurück zur Almodóvar-Retrospektive: Zu den erfolgreichsten Filmen des 1949 geborenen Spaniers zählt «Todo sobre mi madre» (1999), der 2000 sowohl den Golden Globe als auch den Oscar für den besten fremdsprachigen Film erhielt. Erzählt wird die Geschichte von Manuela, die ihren gerade 17 gewordenen Sohn durch einen Unfall verliert. Daraufhin verlässt sie Madrid und macht sich auf die Suche nach dessen Vater, dem Transsexuellen Lola, der nie etwas von seiner Vaterschaft erfahren hat. Die Suche führt sie nach Barcelona, wo sie nicht nur alte Freunde findet, sondern auch neuen Sinn für ihr Leben.
Vorurteilsfreie Solidarität
Auch in diesem Film erzählt Almodóvar mit starker Intensität und in einer farbenfrohen Ausstattung von dramatischen Frauenschicksalen, die miteinander verknüpft sind. Die Frauen sind auf der Suche nach Zuneigung und nach einem Zuhause, das sie aber nicht im Nest einer traditionellen Familie finden, sondern dank «spontaner, unbefangener, vorurteilsfreier Solidarität» untereinander, wie der Filmkritiker Ulrich Behrens schreibt. Der Film ist noch zweimal im Filmpodium zu sehen.
Filmreihe «Pedro Almodóvar. Schmerz und Herrlichkeit»
Filmpodium, Nüschelerstrasse 11, 8001 Zürich. www.filmpodium.ch
«Todo sobre mi madre» wird am Samstag, 8. Februar, um 18.30 Uhr und am Mittwoch, 12. Februar, um 15 Uhr gezeigt.