So kann man Vögel in der Stadt fördern

Majken Grimm

Wer Vögel beobachten will, muss die Stadt nicht verlassen: Auch im Siedlungsgebiet sind viele Arten anzutreffen. Diana Marti ist ProjektleiterinBiodiversität im Siedlungsraum bei BirdLife Schweiz und erklärt, wie wir alle den Tieren Lebensraum bieten können.

Diana Marti, welche Vögel sind typisch für die Städte im Kanton Zürich?

Der Buchfink ist der häufigste Brutvogel der Schweiz und kommt viel in Siedlungen vor. Andere sind der Hausrotschwanz, die Mönchsgrasmücke oder Meisenarten wie die Kohlmeise. Gebäudebrüter wohnten früher in Felslandschaften, sind aber nun in unseren Siedlungen zu Hause, zum Beispiel die Mehlschwalbe oder der Mauersegler.

Wie entwickeln sich die Bestände?

Grundsätzlich nimmt der Vogelbestand ab, aber es gibt gewisse, die zunehmen oder konstant bleiben. Am meisten nehmen die Vögel im Landwirtschaftsgebiet ab, die auf naturnahe Landschaften ohne Pestizideinsatz angewiesen sind. Im Siedlungsgebiet ist es unterschiedlich, manche Arten sind stabil, andere nehmen ab oder sogar zu. Bedroht sind vor allem Vögel, die auf Insekten angewiesen sind, weil die Insekten stark zurückgehen. ­Darunter sind zum Beispiel die Mehlschwalbe und der Mauersegler, welche sich nur von Insekten ernähren. Andere Arten brauchen für die Aufzucht der Jungen Insekten, auch wenn sie sonst keine Insektenfresser sind. Allesfresser haben es einfacher. So kommt die Saatkrähe immer mehr in die Siedlungen und breitet sich aus. Vögel sind auch auf genügend Nistplätze angewiesen. Der Spatz zum Beispiel nistet gerne in Nischen von Gebäuden, aber bei Renovationen wird gerne alles zugemacht, damit nirgends mehr ein Vogel reinkann. Schweizweit ist der Bestand der Spatzen stabil, aber in der Stadt Zürich nimmt er ab. Die Kohlmeise und die Blaumeise dagegen nehmen zu. Die Gründe sind noch nicht ganz klar.

Wie kann man Vögel im eigenen Garten oder auf dem Balkon unterstützen?

Das kann man sehr gut. Zum Beispiel, indem man einheimische Pflanzen pflanzt, einheimische Bäume, einheimische Sträucher. Unsere einheimischen Tiere sind auf unsere einheimischen Pflanzen angewiesen. Von einem Holunder ernähren sich zum Beispiel 62 verschiedene Vogelarten. Im Vergleich dazu: Bei der For­sythie, die nicht einheimisch ist, ist es genau eine Vogelart. Einheimische Blumen fördern Insekten, die vielen Vögeln als Nahrung dienen. Diese lassen sich auch gut auf dem Balkon pflanzen. Man kann auch Lebensraum schaffen, indem man sein Dach begrünt oder Efeu an der Fassade ranken lässt. Efeu ist ein spannender Strauch, weil er im Herbst blüht, wenn andere Pflanzen Beeren haben, und seine Beeren im Frühling reifen. Auch mit der Pflege kann jeder viel machen: Indem man zum Beispiel weniger mäht, weniger aufräumt und mehr gedeihen lässt. Man kann Strukturen rund um das Haus schaffen: einen Totholz-Ast auf dem Balkon, einen Steinhaufen im Garten, ein kleines Gefäss, an dem die Vögel im Sommer trinken können.

«Vögel zu beobachten und ihnen zuzuhören, hat einen positiven Effekt auf uns Menschen.»

Diana Marti, Projektleiterin Birdlife Schweiz

Wie sieht es mit Nistkästen aus?

In der Stadt bieten sich vor allem Meisenkästen an. Man kann aber auch Kästen für Mauersegler aufhängen. Der Bestand der Mauersegler ist seit Jahren schleichend sinkend. Viele verlieren durch Renovationen ihre Kolonienstandorte. Dass man ­ihnen Nistkästen zur Verfügung stellt, ist sehr wichtig. Die Mehlschwalbe ist im Moment auf tiefem Niveau schwankend. Sie braucht für ihren Nestbau kiesige Flächen und lehmige Tümpel, denn sie baut ihr Nest aus gesammelten Lehmkügelchen. Es gibt jedoch immer weniger Kieswege und Kiesplätze, immer mehr wird versiegelt. Man kann die Mehlschwalbe fördern, indem man ihr Nistkästen zur Verfügung stellt. Was dabei die Herausforderung ist: Sie ist sehr standorttreu und kehrt gerne zum gleichen Ort zurück. Die Kästen müssen sehr nahe an einem Ort angebracht werden, wo sie bereits gebrütet hat.

Wie kann man potenzielle Gefahren vermeiden?

Millionen von Vögeln sterben jährlich in der Schweiz durch die Kollision mit Glasscheiben. Grosse Glasflächen sollten vermieden werden, besonders wenn sich Bäume und Sträucher darin spiegeln. Der Vogel sieht nicht, dass es Glas ist. Auch Eckverglasungen oder Balkonverglasungen sind schwierig, weil der Vogel hindurchsehen kann. Ausserdem ist Licht ein Problem: Wenn viel Licht brennt, das eigentlich nicht nötig ist, lenkt das Vögel ab. Besonders wenn sie in der Nacht auf dem Zug sind.

Sind Katzen ein Problem?

Die Katze ist ein Räuber, der unter anderem Vögel fängt. Man kann aber nicht ­sagen, dass die Vögel wegen der Katzen zurückgehen. Es gibt viele Faktoren, die man einbeziehen muss: Es gibt weniger Insekten, weniger Grünflächen, weniger Nistmöglichkeiten, mehr Gefahren – das alles hat Einfluss auf den Bestand der Vögel. Die Katze ist nur ein Teil davon. Das Problem ist vor allem dort, wo es einen sehr dichten Bestand an Katzen gibt. Man kann den Vögeln helfen, indem man dornenreiche Sträucher pflanzt. Wenn man weiss, dass ein Vogel in einem Baum nistet, kann man einen Kranz am Stamm befestigen, sodass Katzen nicht hinaufklettern können.

Welche Rolle spielt die Stadtplanung?

Es spielt eine grosse Rolle, wie ein Quartier geplant wird, wie viele und welche Bäume gepflanzt werden und ob darunter Platz ist für einheimische Pflanzen. Die Stadtplanung kann Vorgaben machen, die besagen, wie viel Grünfläche es geben soll und welcher Anteil der Pflanzen einheimisch sein soll. Das ist ein grosser Hebel. Eine Zahl finde ich spannend: Wenn Bäume so gepflanzt werden, dass die Kronen die Hälfte der Fläche ausmachen, gibt es sechs Vogelarten mehr. Mit Bäumen kann man also viele Vögel fördern. Ein Drittel der Schweizer Brutvögel ist in den Siedlungen unterwegs, um zu nisten oder Nahrung zu suchen.

Zu Birdlife Schweiz gehören viele ­lokale Naturschutzvereine. Wie setzen sich diese für die Vogelwelt ein?

Die Vereine sind sehr unterschiedlich unterwegs. Manche bieten Beratungen an oder veranstalten Exkursionen. Sie gestalten Flächen naturnah um und schaffen so Naturoasen im Siedlungsraum. Sie gehen aktiv auf die Gemeinde zu und setzen sich dafür ein, dass öffentliche Flächen naturnaher gepflegt werden. Der Naturschutzverein kann auch ein Auge darauf haben, wenn ein Bauverfahren läuft. Wenn ein Haus ab­gerissen wird, geht manchmal vergessen, dass dort Mauersegler brüten. Dann kann der Verein sagen: Da muss Ersatz geschaffen werden. Zudem bieten die Vereine Grundkurse für die Bevölkerung an, an denen man die Vogelwelt im eigenen Ort kennenlernt. Es gibt viele Möglichkeiten, wie sich die Vereine engagieren können.

Was unternehmen Sie von der Hauptstelle von Birdlife Schweiz, um Vögel in der Stadt zu fördern?

Birdlife Schweiz berät seine Vereine und engagiert sich auch in Kursen und Schulungen. Wir sind gerade im Aufbau eines nationalen Projekts, das BirdLife Schweiz zusammen mit der Stiftung Pusch – Praktischer Umweltschutz aufbaut. Es heisst «Biodiversität. Jetzt!» und wird ab 2025 laufen. Es geht darum, die Schweizer Bevölkerung für die Biodiversität im Siedlungsraum zu sensibilisieren und aufzuzeigen, wo das Problem liegt und wo jeder seine Handlungsmöglichkeiten hat.

Wo lassen sich Vögel gut beobachten?

Am meisten Vögel sieht man an Orten mit vielen Bäumen und Sträuchern, zum Beispiel in Parks oder auf Friedhöfen. Auch rund um Gewässer sind Hotspots. Spannend finde ich: Man sieht immer wieder Vögel. Und man hört sie vor allem auch. Die Mönchsgrasmücke war für mich ein Aha-Erlebnis. Diesen Vogel sieht man nur selten, er ist im Gebüsch sehr gut versteckt. Wenn man aber ein Geräusch hört, das wie zwei Steine klingt, die aufeinanderprallen, dann ist das eine Mönchsgrasmücke. Sobald man lernt, wie Vögel singen oder rufen, merkt man plötzlich: Da sitzt ja eine Kohlmeise im Baum, da ist ein Grünfink, ein Girlitz.

Wie wichtig sind Vögel für die Natur?

Sie gehören in unser Ökosystem und sind daher sehr wichtig. Zum Teil helfen sie Pflanzenarten, sich zu verbreiten. Der Eichelhäher vergräbt Eicheln und findet nicht mehr alle. Die Misteldrossel frisst das Fruchtfleisch der Mistel und lässt die Samen auf einem Baum wieder heraus. So kann sich die Mistel ausbreiten. Vögel sind natürlich auch Nahrung für andere Tiere. Die kleineren Singvögel für die grösseren Greifvögel oder auch für einen Fuchs, der einen Vogel packt oder nach ­einer Kollision mit einer Scheibe aufsammelt. Vögel passen in unser Ökosystem.

Und darum sollte man sie auch fördern?

Einerseits deswegen, andererseits auch, weil sie einfach wunderschöne Tiere sind und es Freude bereitet, sie zu erleben. Es gibt Studien, die zeigen, dass es positive Effekte auf das Wohlbefinden gibt, wenn man Vögel singen hört. Sie zu beobachten und ihnen zuzuhören, hat einen positiven Effekt auf uns Menschen.

 

Birdlife Schweiz

Als eine der grössten Naturschutz­organisationen des Landes setzt sich Birdlife Schweiz hauptsächlich für den Schutz der Vögel ein. Dazu werten die Mitarbeitenden Lebensräume auf und setzen sich auch auf politischer Ebene ein. In vier Naturzentren können Besuchende Vögel beobachten und Ausstellungen besichtigen. Im Kanton Zürich gibt es eines im Neeracherried und eines am Pfäffikersee. Ausserdem gibt Birdlife Schweiz die Zeitschriften Ornis und Ornis Junior heraus. Zum Verband gehören rund 430 lokale Vereine, davon mehr als 100 im Kanton Zürich. Der Hauptsitz befindet sich im Kreis 3 in Zürich. (mlg)

Gwunderbrunnen

19.12.2025 - 14:00
28.11.2025 - 14:00
31.10.2025 - 14:00
29.09.2025 - 14:00
26.09.2025 - 14:00
25.09.2025 - 09:00
22.09.2025 - 14:00
Zur Agendaübersicht