Noch mehr Lärm um den Flughafen

Roger Suter

Selten hat man sich um 380 Meter Beton mehr und lauter gestritten: Ein Podium zu den Pistenverlängerungen zeigte auf, wie weit die Positionen auseinanderliegen. Und wie so oft in der Politik lief es auf die Frage hinaus, wem man mehr Glauben schenkt.

Braucht der Flughafen längere Pisten oder nicht? Diese Fragen diskutierten vergangenen Donnerstag je zwei Befürworter und Gegnerinnen der Vorlage: Regine Sauter, Nationalrätin FDP, und Christian Lucek, alt Kantonsrat SVP, gegen Priska Seiler Graf, Nationalrätin SP, sowie David Galeuchet, Kantonsrat Grüne. Ins Klotener Kirchgemeindehaus hatten die Bezirksparteien der Grünen und der SP eingeladen. Astrit Abazi, Redaktor beim «Zürcher Unterländer», moderierte das Streitgespräch – zurückhaltend, was durchaus angebracht war.

Gleich zu Beginn betonte Befürworter Christian Lucek, die Ausbauten dienten in erster Linie der Sicherheit im mittlerweile 50-jährigen, historisch gewachsenen, aber komplizierten Pistensystem des Flughafens. Regine Sauter schob später nach, dass der Betrieb, den ja der Bund vorgebe, so stabiler und weniger anfällig für Verspätungen werde.

«Es gäbe andere Möglichkeiten, Sicherheit und Pünktlichkeit zu steigern.»

David Galeuchet, Kantonsrat Grüne

Priska Seiler Graf, die von 2010 bis 2020 Klotener Stadträtin und von 2005 bis 2015 Kantonsrätin war, fand hingegen das ­aktuell vorherrschende Sicherheitsar­gument der Befürworter «interessant»: «Thomas Kern (Flughafen-CEO von 2008 bis 2014, Anm. d. Red.) sprach damals von der Ertüchtigung des Ostkonzepts und sehr wohl von einer Steigerung der Flugbewegungen.» Doch die Leute hätten Angst vor einem Flughafen, der grenzenlos wachse.

Mehr Sicherheit oder mehr Flüge?

Auch David Galeuchet fand den Ausbau unnötig und vermutet andere Pläne dahinter. «Solch grosse Investitionen werden in der Wirtschaft nur für entsprechendes Wachstum getätigt.» Das wiederum relativierte Lucek: Die Investition von 250 Millionen Franken diene dazu, das Pistensystem für weitere 50 Jahre tauglich zu machen. «Diese 5 Millionen pro Jahr sind gemessen an den übrigen fast 300 Millionen an jährlichen Investitionen ein kleiner Betrag.»

«Sind Sie denn gegen mehr Sicherheit?», fragte Moderator Astrit Abazi den Grünen Galeuchet. «Nein», widersprach dieser, aber es gäbe andere Möglichkeiten, Sicherheit und Pünktlichkeit zu steigern: «Ein weniger enger Flugplan würde helfen, pünktlicher zu fliegen. Ich weiss von Piloten, dass die kalkulierten 40 Minuten für den Passagierwechsel niemals reichen. Da ist schon die Planung falsch.» So sei etwa der tägliche Nachtflug nach São Paulo, der auf Anschlüsse warte, im vergangenen August 31-mal zu spät gestartet.

«Umerziehung ist nicht Aufgabe der Politik. Die Leute wollen fliegen.»

Regine Sauter, Nationalrätin FDP

Auch könnte man etwa mit Deutschland reden (nachdem ein deutscher ­Mediationsversuch angeblich mangels Schweizer Ansprechpartner vor zwei Jahren gescheitert war) – zumal das wirtschaftlich stärkste deutsche Bundesland Baden-Württemberg auch vom Zürcher Flughafen profitiere.

Regine Sauter zweifelte daran, dass Deutschland bei all den anderen Problemen überhaupt Interesse an Fluglärmgesprächen mit der Schweiz habe (wobei Nationalrätin Seiler Graf ihr beipflichtete). Der Wegfall des Hub-Prinzips und damit vieler Destinationen ab Zürich würde der Wirtschaft enorm schaden – auch, weil die meisten Schweizer Exportprodukte im Bauch von Passagierflugzeugen reisen würden.

Wirtschaft oder Lärmschutz?

Die von der Wirtschaft geforderte Anbindung mache aber nur 20 Prozent der Passagiere und 4 Prozent des Frachtvolumens aus, konterte Galeuchet, der die Fliegerei an sich faszinierend findet und als Student selber am Flughafen Geld verdient hat. Doch die 12 Prozent Anteil der Fliegerei am Schweizer CO2-Ausstoss seien einfach zu viel: «Die Schweizer fliegen doppelt so viel wie die anderen Europäer. Europaflüge gehören eigentlich verboten.» «Umerziehung ist nicht Aufgabe der Politik», gab Sauter zurück. «Die Leute wollen fliegen, Familie und Freunde besuchen, sind auch beruflich unterwegs.» Zudem sei die Anzahl Bewegungen seit 20 Jahren ziemlich stabil; die Passagierzahlen hätten vor allem wegen besser ausgelasteter und grösserer (leiserer) Flugzeuge zugenommen.

«Ein Überschreiten der 320 000 Bewegungen wäre politisch gar nicht durchsetzbar.»

Christian Lucek, Alt Kantonsrat SVP

Lucek, der 12 Jahre in der kantons­rätlichen Kommission für Energie, Verkehr und Umwelt (Kevu) sass, betonte, wie viel leiser die heutigen Flugzeuge seien. «Aber im Berechnungsmodell des Zürcher Fluglärm-Indexes wird das aufgefressen durch das Bevölkerungswachstum.» Wer aber heute hierher ziehe, wisse um den Lärm des Flughafens. Zudem sei die Angst vor grenzenlosem Wachstum unbegründet: «Ein Überschreiten der 320 000 Bewegungen wäre politisch gar nicht durchsetzbar.»

Ökologischer durch längere Pisten?

Christian Lucek hob hervor, dass die längere Piste 32 auch die Rollzeiten der Maschinen und damit die Emissionen reduzieren würde: Dadurch könnten die Langstreckenflugzeuge ohne Pistenkreuzungen vom Dock E direkt zu ihrer Startpiste gelangen. Weniger Umstellungen des Betriebssystems würden zudem Warteschlaufen in der Luft vermeiden. «Das alles bedeutet weniger Abgase. Wollt ihr Grünen denn das nicht?»

Sie wollten vor allem weniger Flüge, entgegnete Galeuchet. Zudem müsste in Oberglatt ein Landwirtschaftsbetrieb aufgeben, wo doch der Kanton überall um Kulturland ringe. Sauter fand, man solle die Mobilität nicht behindern, sondern ökologischer machen – etwa mit den alternativen Treibstoffen, in welche die Swiss und der Flughafen investierten und welche das Fliegen verteuern würden.

Das reiche aber nicht, um bis 2050 klimaneutral zu werden, zitierte Seiler Graf aus einer Studie von PSI und ETH. «Da hilft nur weniger fliegen.»

«Die Leute haben Angst vor einem Flughafen, der grenzenlos wächst.»

Priska Seiler Graf, Nationalrätin SP

Lucek betonte, dass der grösste Verlust von Kulturland nicht durch die Pistenverlängerungen, sondern durch die Renaturierung der Glatt drohe – worauf Galeuchet einwarf, dass diese lediglich eine obligatorische Kompensation früherer Flughafen-Ausbauten sei: «Die Renaturierung kommt sowieso.»

In der Fragerunde waren die kritischen Stimmen in der Mehrheit. Ob sie das auch in der Abstimmung noch sind, wird sich am 3. März zeigen.

 

Die Klotener Pisten (blau) und die geplanten Verlängerungen. Grafik Flughafen Zürich

Gwunderbrunnen

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