Jan Schibli: «Nichts versprochen, was wir nicht einhalten konnten»
Klotens Verwaltungsratspräsident Jan Schibli (53) kann im Interview mit dem «Klotener Anzeiger» eine erfreuliche Zwischenbilanz zum bisherigen Saisonverlauf des EHC ziehen. Dennoch warnt er eindringlich davor, alles zu positiv zu betrachten.
Im Interview spricht Schibli unter anderem auch über das Legendenspiel. Besonders erfreulich ist für ihn das Coaching-Mitwirken von Klub-Ikone Felix Hollenstein. «Hollensteins Kommen ist eine Herzensangelegenheit», betont er.
Was ergab die Saisonanalyse von letzter Saison?
Die war relativ einfach. Wir brauchten einen neuen Sportchef und einen neuen Trainer. Beide Verträge liefen ja aus. Und da entschied man sich für eine Neuausrichtung. Wichtig war, dass die Neuen in unser Konstrukt reinpassen, vor allem auch menschlich betrachtet. Ob sie auch mit einem weniger privilegierten Klub mit einem tieferen Budget arbeiten können. Und ob sie mit Jungen arbeiten können oder mit Spielern, die bei grösseren Klubs vielleicht nicht mehr benötigt werden. Dann auch mit den Gegebenheiten eines alten Stadions, das nicht uns gehört. Rundum alle Sachen nahmen wir auseinander.»
Kloten hat im Vergleich zur letzten Saison bislang nicht nur einen, sondern gleich drei Schritte nach vorne getan. Mit dem 12. Rang und dem direkten Ligaerhalt würde man bereits das vorrangige Saisonziel erfüllen. Nun befindet sich Kloten gar innerhalb der direkten Playoff-Ränge in den Top 6. Und ist dadurch das grosse Überraschungsteam der Saison.
Eigentlich will ich, dass Sie dies gar nicht schreiben. Sie vom «Klotener Anzeiger» sind der Erste, der nach vier Niederlagen alles infrage stellen würde. Wir haben jetzt mega viel Glück gehabt. Damit meine ich, dass unsere Schritte mit dem neuen Sportchef Ricardo Schödler und mit unserem Konzept und der DNA (schnell, intensiv, kreativ) so gut umgesetzt wurden. Dann haben wir einen Coach, der das Konzept vom Sportchef vollumfänglich umsetzt und dies auch lebt. Der auch kämpft fürs Team und dennoch weiss, dass er schlussendlich nicht mehr dafür erhält. Dass jetzt dies alles so gut gefruchtet hat, hätte ich mir nie erträumt. Dass wir nach 27 Spielen 47 Punkte auf dem Konto haben, nur fünf weniger als in der gesamten letzten Saison – das ist natürlich hervorragend. Dennoch haben wir noch viele Ideen für eine Verbesserung.
Weshalb hat das Team einen so starken Spirit entwickelt?
Ich denke, dass es mit der Transparenz auf allen Ebenen zu tun hat, inklusive mir selbst. Wir sind mit allen Leuten sehr transparent damit umgegangen. Wir haben nichts erzählt oder versprochen, was wir nicht einhalten konnten. Alle, die die Saisonvorbereitung im Frühjahr begonnen hatten, wussten, worum um es geht. Dies ist sicher ein Erfolgsfaktor.
«Uns gelingt es momentan, stabiler zu sein. Wir haben schon auch noch Ausrutscher wie die beiden deutlichen Zu-Null-Niederlagen in Biel oder das 0:5 in Zug.»
In dieser ausgeglichenen Liga ist ein so grosser Fortschritt innert so kurzer Zeit aber schon aussergewöhnlich.
Gut, im Team-Sport ist es dennoch so, dass am Ende das Team, das sich das breiteste und beste Kader leisten kann, auch zuoberst steht. Sehr selten schafft es da ein Team mit begrenzten Ressourcen in diesen Bereich. Bei uns glaube ich, dass sich alle bewusst waren – das Team, aber auch die Geschäftsstelle, der Verwaltungsrat und ich selbst –, dass wir so nicht weiterfahren können. Wir setzten dann mit neuem Trainer und Sportchef sowie den Neuzugängen ein klares Signal. Dazu wurde sehr gut trainiert, auch da wurde etwas umgestellt. Und wir bereiten uns besser auf die Spiele vor. Wir spielen auch ergonomischer oder einfach so, dass wir weniger Verletzte zu beklagen haben – weniger als die anderen Vereine.
Dennoch wollen Sie ein wenig auf die Euphorie-Bremse treten.
Bei drei oder vier Niederlagen in Folge und man steht schon wieder weit hinten in der Tabelle. Und dies, was nun Rapperswil-Jona mit seiner Niederlagen-Serie und dem deshalb vollzogenen Trainerwechsel passiert ist, dies machten wir in der Vorsaison durch. Dass man eine Supersaison hat und dann vielleicht danach nichts mehr geht, weil man ein oder zwei Leistungsträger verloren hat. Auch wir werden auf die nächste Saison hin wieder den einen oder anderen Leistungsträger wie Miro Aaltonen verlieren und versuchen dann, einen Ersatz zu finden. Da wird man sehen, ob es wieder gleich gut funktioniert. Ich bin überzeugt, dass es gesamthaft gelingt, wenn wir unseren roten Faden beibehalten.
Momentan erwartet ja nach wie vor niemand, dass Kloten die Top 6 und damit einen direkten Playoff-Platz bis zum Saisonende halten kann. Falls doch, wäre dies sensationell. Alles von Platz 12 an aufwärts wäre immer noch ein Erfolg oder?
Es gibt einen anderen Aspekt, der nicht mit der Klassierung zusammenhängt. Uns gelingt es momentan, stabiler zu sein. Wir haben schon auch noch Ausrutscher wie die beiden deutlichen Zu-Null-Niederlagen in Biel oder das 0:5 in Zug. Aber es sind nur noch Einzelfälle. Es ist keine Instabilität mehr vorhanden wie letzte Saison, als wir zwar drei von vier Derbys gegen den nachmaligen Meister ZSC Lions gewannen, dann aber auch wiederholte Niederlagenserien hinnehmen mussten und dabei auch gegen Teams wie Langnau, Ambri-Piotta und Ajoie nur wenige Punkte holten. Das Dritte ist, dass wir die Heimspiele gewinnen (Kloten war nach 14 Heimspielen mit 30 Punkten das drittstärkste Heimteam der Liga vor dem Heimspiel gegen Lugano/nach Redaktionsschluss beendet – Red.). Das hört man auf der Stehrampe, welche Begeisterung dies dort auslöst. Dass wir daheim derart stark sind, ist schon etwas Cooles.
Noch ein Wort zum Nachwuchs. Kloten baut junge Spieler und den eigenen Nachwuchs ein wie zuletzt Rafi Meier oder Mischa Ramel. Aber man holt nun gleichzeitig doch auch junge Spieler von anderen Vereinen auf die nächste Saison hin wie Leandro Hausheer und Noah Delémont von Lugano und von Biel. Wie erklärt man dies Verteidiger-Eigengewächsen wie Luca Deussen oder Leandro Hinder, die sich auch Hoffnungen auf einen Durchbruch bei Kloten mach(t)en?
Das ist sicher ein berechtigter Einwand. Nur überlasse ich die Einschätzung der Perspektiven und der Beurteilung des sportlichen Leistungsvermögens der einzelnen Nachwuchsspieler im Verein der sportlichen Führung. Die Plätze für die eigenen Jungen wird es geben, wenn das Potenzial bei den Spielern dazu vorhanden ist. Unser Konzept steht aber, auch wenn es Zeit erfordert. Im Gegensatz zur Vorsaison gehen wir von der AG mit allen Nachwuchsverantwortlichen und Trainern im Verein dieses Thema permanent an. Es wird bei jedem für einen Profivertrag in Frage kommenden Spieler dessen Potenzial besprochen und analysiert. Und wenn dann einer seinen Platz zunächst in der Swiss League hat, liegt es dann auch an der eigenen Entwicklung des Spielers und am Menschen dahinter selbst, sich für höhere Aufgaben zu empfehlen. Wenn wir auch nicht jeden Nachwuchsspieler ins Fanionteam bringen können, so wollen wir doch zumindest auch zu einer Adresse werden, von der andere junge Spieler aus anderen Vereinen überzeugt sind, dass sie hier den nächsten Schritt machen können. Also wenn sie beispielsweise bei ihren Vereinen nicht die erforderliche Eiszeit zur Weiterentwicklung erhalten.
Auch jüngere Imports könnten von Kloten so entdeckt werden – so wie Ambri-Piotta einst Dominik Kubalik in jungen Jahren holte und der Tscheche dann Liga-Topskorer und zwischenzeitlicher NHL-Spieler wurde und mittlerweile wieder für die Leventiner spielt.
Gut, talentierte Imports unterschreiben bei unserem Budget höchstens für ein Jahr. Und wenn sie dann reüssieren, verlieren wir sie rasch an die Grossen – namentlich ZSC Lions, Zug, Lausanne, Bern oder Davos – leider.
Themawechsel. Die Feierlichkeiten zur 90-Jahr-Feier des EHC Kloten werden am 3. Januar mit dem Jubiläumsdinner sowie am 4. Januar mit dem Legendenspiel (Kloten-Legenden gegen SCB-Legenden) vor dem Meisterschaftsspiel gegen Bern ihren Höhepunkt erleben. Was können Sie dazu sagen?
Geplant am Jubiläumsdinner sind unter anderen ganz viele Ehrungen, von Spielern und Menschen, die in der Vergangenheit sehr, sehr viel für den Klub geleistet haben. Dann wird es ein wunderschönes Essen geben. Ebenso wird der Abend mit Barbetrieb und weiteren Heiterkeiten veredelt. Und am Legendenspiel geht es mehr um den Spass und darum, es lustig zu haben – unabhängig vom Alter. Sogar der bereits 71-jährige Köbi Kölliker wird da auch mitwirken. Fast alle kommen, die angefragt wurden. Deshalb ist es auch besonders schön, dass bei den Kloten-Legenden Felix Hollenstein an der Bande stehen wird. Das ist für mich mega schön und eine Herzensangelegenheit. Und am Abend gibt es dann vor vielen Fans in einem hoffentlich vollen Stadion das Heimspiel gegen Bern, das wir gewinnen wollen.
Und in Ihrer aktuellen Agenda als Verwaltungsratspräsident des EHC Kloten hat derzeit was Priorität?
Die finanzielle Stabilität zu schaffen. Man kennt die Rechnung der Vorsaison und weiss, was für einen Sanierungsbeitrag es gebraucht hatte. Wir sind an der Arbeit. Aber damit es eine stabile Zukunft gibt, müssen wir schon noch zwei bis drei Schritte vorwärtsmachen. Wir wollen ein finanziell tragbarer Verein werden. Gesund wäre ein hochgegriffener Ausdruck, denn dazu müssten wir Gewinn machen. Aber ob ich dies jemals erleben werde, weiss ich nicht. Eine weitere Ebene sind momentan halt die Transferabwicklungen. Ich muss mich immer noch daran gewöhnen, weil ich dies von keiner anderen Sportart her kenne, dass die Zukunft eines Spielers bei einem anderen Verein schon so viele Monate zum Voraus bekannt wird.
«Der Grundtenor auf den Rängen, den ich spüre, ist positiv. Die Leute haben wieder Freude und spüren ihren EHC so, wie sie ihn gerne sehen.»
Wo soll Kloten mittel- und langfristig stehen – sportlich und finanziell betrachtet?
Dass unser Budget von der Tragfähigkeit her auch zulässt oder uns auch sportlich ermöglicht, dass wir um die Playin-Plätze mitspielen. Und dass wir eine Top-Nachwuchsausbildung für die jungen Spieler erreichen, dass für die Jungen der Sprung ins Fanionteam machbar ist. Und dass wir einen guten Mittelbau haben. Dazu zählt auch das Holen von einem Routinier wie Reto Schäppi, der trotz seinen vorherigen Meriten weiss, dass hier sein Auftrag ist, unsere jungen Spieler besser zu machen oder ein Tor zu verhindern. Und weiss, dass er nicht mehr der Schillerfalter sein muss. Dafür ist auch emotionale Intelligenz notwendig, um die Jungen mitzureissen. Aber auch Leidenschaft fürs Hockey. Weil solche Spieler wissen, dass sie mit fortschreitendem Alter immer mehr aufwenden müssen, um fit zu bleiben. Da steckt ein Rieseneffort dahinter.
Sie wollen noch die Infrastruktur ansprechen.
Da sind wir meiner Ansicht nach noch weit davon entfernt, topprofessionell zu sein. Seien es nun die vorhandenen Möglichkeiten für ein modernes Gastro-Konzept oder all die Sachen rund ums Stadion, das nicht uns gehört. Wir müssen uns schon überlegen, was mit dem Stadion in zehn Jahren ist. Auch das ist eine unserer Aufgaben. Da sind wir und auch ich nun zusammen mit der Politik daran, dies voranzutreiben.
Weshalb lässt der Zuschauer-Zuspruch trotz Klotens starker Saison bislang zu wünschen übrig?
Meine persönliche Einschätzung ist, dass man in Kloten in den letzten zehn Jahren wirtschaftlich gesehen nicht immer alles optimal gemacht hat (der Klub kämpfte wiederholt ums finanzielle Überleben und entging nur knapp einem Konkurs – Red.). Der Klub ist sehr oft wegen der Finanzen und nicht wegen des Sports in den Schlagzeilen gestanden. Das braucht nun deshalb sehr, sehr viel Zeit. Und zwar bei allen Ansprechgruppen. Ich selbst werde da sehr feinfühlig vorgehen und versuche, alle Interessengruppen einzubinden oder vor allem zu informieren, was wir vorhaben. Und da müssen wir nun leider Gottes auch ein bisschen Bescheidenheit an den Tag legen. Es braucht einfach Zeit. Aber der Grundtenor auf den Rängen, den ich spüre, ist positiv. Die Leute haben wieder Freude und spüren ihren EHC so, wie sie ihn gerne sehen. Schnell, intensiv und kreativ. Aber wir haben heutzutage auch eine etwas andere Kundschaft, die wir ebenso gerne ansprechen wollen. Diese Leute gehen wegen des Happenings, des Events an und für sich und nicht nur wegen des Hockeys. Das ist bei uns eine ganz feinfühlige Geschichte. Andere Vereine haben da kein Problem damit.
Am Anfang, als Sie erstmals in den Verwaltungsrat von Kloten kamen (2008), waren Sie mehr Fan als Verwaltungsrat, sagten Sie unlängst – und heute?
Heute bin ich nicht mehr der Fan, der das Ziel hat, Schweizer Meister zu werden. Gut, ich bin natürlich auch älter geworden. Und mit dem Alter wird man gelassener. Aber ernsthaft betrachtet ist es mein Ziel, den Verein finanziell tragbar zu machen mit einer sportlichen Zukunft. Und ich wünsche mir, dass wir es zustande bringen, ruhiger in die Saison zu starten. Wir selbst vom Verwaltungsrat hielten uns denn auch auf diese Saison hin bewusst zurück bei Medienanfragen. Und vielleicht ist der jetzige Erfolg auch ein entsprechendes Ebenbild davon, dass wir nicht mehr reingeredet haben, sondern die sportliche und operative Führung arbeiten liessen. Und der EHC Kloten hat auch eine Berechtigung in der Liga, es ist ein Top-Brand. Und die Flughafenregion ist sich bewusst, was der Verein für ein Marketing-Instrument für diese Region darstellt. Und dies muss auch wieder mehr angekurbelt werden.
Zur Person
Jan Schibli ist auch Verwaltungsratspräsident sowie Inhaber und Geschäftsführer der Schibli-Gruppe, die an 16 Standorten in der Schweiz und Deutschland über 550 Mitarbeitende beschäftigt. Seit 2019 ist Jan Schibli auch noch Präsident des Wirtschaftsforums an seinem Wohnort Uster (WFU) und seit 2021 als Vizepräsident bei Flughafenregion Zürich (FRZ) tätig.
Schibli ist Vater von drei Kindern, zwei Söhnen (16- und 18-jährig) sowie einer Tochter (20). (rs.)
Will den EHC Kloten auf finanziell stabile Füsse stellen: Verwaltungsratspräsident Jan Schibli betont aber, dass hierfür noch zwei bis drei Schritte vorwärtsgemacht werden müssen. Bild Archiv