Hotline für tierärztliche Fachleute

Karin Steiner

Viele Tierarztpraxen sind überbelastet, das bringt Tierärztinnen und -ärzte sowie ihre Mitarbeitenden oft an den Anschlag. Deshalb betreibtdie Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte (GST) seit eineinhalb Jahren ein 24‑Stunden-Notfalltelefon für Krisensituationen.

«In unserem Beruf ist die Suizidrate leider sehr hoch», sagt Patrick Späni, der ­gemeinsam mit Mirjam Kündig in Küsnacht eine Tierarztpraxis betreibt. Deshalb beschloss die Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte (GST), ein Notfalltelefon für tiermedizinisches Fachpersonal einzurichten. Ein Grund für die hohen Belastungen sind die langen Arbeitstage. «Wir haben von morgens um 8 Uhr bis abends um 18 Uhr geöffnet», sagt Mirjam Kündig. «Hinzu kommen die Notfälle, die zusätzlich für Stress sorgen, wenn der Warteraum in der Praxis bereits voll ist. Und nach Praxisschluss folgen ­administrative Aufgaben, müssen Laborberichte beurteilt, Berichte geschrieben und gelesen werden, Telefonate mit Tierbesitzenden geführt und allenfalls Fachliteratur konsultiert werden.»

Das Umfeld ist wichtig

Deshalb sei es sehr wichtig, dass man nicht alles alleine tragen müsse, so Pa­trick Späni. «Die Familie und das Umfeld geben Halt, aber nicht alle, die in unseren Berufen arbeiten, haben ein solides Umfeld. Es macht es für uns beide einfacher, dass wir unsere Praxis zu zweit führen. Wir können uns austauschen und unterstützen. Wir sind neben unserem Job als Tierärzte auch Geschäftsführer und für das Personal verantwortlich. Da ist es schwierig, sich abzugrenzen.»

Die Freizeit sei sehr beschränkt, bestätigt auch Mirjam Kündig. «Man muss sie sich freischaufeln. Auch an den Wochenenden sind wir gemäss einem Turnus mit anderen Tierärzten unserer Nachbarpraxen im Einsatz.»

Wer bei hohen Belastungen durch das Umfeld nicht genügend Unterstützung hat und am Anschlag ist, bekommt sofortige Hilfe bei der Hotline «SOS for Vets» unter der Telefonnummer 0800 073 535. 2023 hat die GST diese Hotline lanciert. In den ersten zwölf Monaten haben dreizehn Personen die Notfallnummer angerufen. Die Bandbreite der Anliegen sei sehr gross gewesen, wie die GST mitteilt. Bei zwei Anrufen handelte es sich um eine akute Krisensituation. Andere sprachen über Burn-out. Einige hatten Fragen zu Anstellungsbedingungen, andere hatten Mühe, mit dem Druck umzugehen, den sie am Arbeitsort verspürten.

Die GST bietet das Notfalltelefon in Zusammenarbeit mit Remed an, dem Unterstützungsnetzwerk für Ärztinnen und Ärzte der FMH, das bereits seit vielen Jahren besteht. Die Hotline «SOS for Vets» ist für die Anruferinnen und Anrufer kostenlos. Der GST-Hilfsfonds hat die initialen Kosten und den jährlichen Betrieb des Notfalltelefons für das Jahr 2023 übernommen und für vier weitere Jahre die finanzielle Unterstützung zugesichert.

Fachkräftemangel auch hier

«Es ist schade, dass bisher nicht mehr Leute die Hotline genutzt haben», sagt ­Patrick Späni. «Viele tun sich wohl schwer damit, Hilfe zu holen.» Wie in der Humanmedizin mangelt es auch in der Veterinärmedizin an Fachleuten. Bei steigender Zahl an Haustieren fehlt es sowohl an Tierärztinnen und Tierärzten als auch an Tiermedizinischen Praxisassistentinnen und -assistenten (TPA). «TPA haben ein eher tiefes Lohnniveau und lange und unregelmässige Arbeitszeiten», begründet Patrick Späni den Mangel an Fachpersonal. «Viele sind Familienmütter und müssen die Kinder­betreuung organisieren, was auch nicht immer einfach ist.»

«Der Umgang mit den Tierbesitzenden ist für uns auch sehr wichtig», so Mirjam Kündig. «Gemeinsam muss ein Weg gefunden werden, der für das Tier am besten ist. Oft hätte man gerne mehr Zeit für die Leute, gerade wenn es darum geht, ein Tier zu erlösen.»

Ein weiterer Stressfaktor können schwierige Situationen mit unzufriedenen Kundinnen und Kunden sein, zum Beispiel wenn das Verständnis fehlt, wieso ein nicht eingehaltener Termin in Rechnung gestellt wird. «Aber das sind zum Glück Ausnahmen, wir haben eine sehr gute und dankbare Klientel, welche viel Verständnis hat, auch wenn es mal länger dauert», so Patrick Späni.

Kliniken bieten Entlastung

Als grosse Entlastung sehen er und seine Kollegin die Nähe verschiedener Kliniken, zum Beispiel das Universitäts-Tierspital, die Bessy’s Kleintierklinik in Regensdorf oder die Marigin Tierklinik in Feusisberg. Die Tierarztpraxis Küsnacht arbeitet zudem mit Ärzten, die Hausbesuche machen zusammen. Für verunfallte oder kranke Tiere, die aufgrund des Gewichts nicht selber zum Arzt oder in die Klinik gebracht werden können, ist der Tierrettungsdienst im Einsatz.

Gemäss GST setze man nebst der Hotline stark auf präventive Massnahmen, um das tierärztliche Fachpersonal darin zu unterstützen, mit den Be­lastungen umzugehen, sowie auf eine Verbesserung der Rahmenbedingungen. Dazu gehöre, die administrative Belastung im Beruf zu verringern und die ­Wirtschaftlichkeit sowie die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Privatleben zu verbessern.

«Wir finden es beide notwendig, dass es diese Hotline gibt», betonen Patrick Späni und Mirjam Kündig. «Es ist wichtig, dass man frühzeitig Hilfe holt, bevor man ausbrennt.» Doch bei allem Stress steht eines für die beiden fest: «Wir haben einen tollen Beruf, wir würden ihn sofort wieder wählen. Es kommt auch sehr viel Positives zurück.»

Gwunderbrunnen

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