Horror ohne Schnabelwetzen im «Pfauen»
Alfred Hitchcocks Horrorklassiker «Die Vögel» könnte man als Parabel über das Zurückschlagen der vom Menschen geknechteten Natur verstehen. In der Adaption des Schauspielhauses Zürich ist es eher eine Parabel über die Mechanismen der Angst angesichts unerklärlicher Bedrohungen.
Es gibt Vögel, die singen, und solche, die kreischen und krächzen. Frühling und Lebenslust verkünden die einen, die anderen nichts weniger als ... Aber das lassen wir offen. Auf jeden Fall verheisst ein Stück mit dem Titel «Die Vögel» nichts Gutes, wenn es sich wie in der neuen Produktion des Schauspielhauses Zürich auf den berühmten Horrorfilm von Alfred Hitchcock aus dem Jahr 1963 bezieht. Dort wird der kalifornische Küstenort Bodega Bay von Vögeln heimgesucht, die immer häufiger Menschen attackieren. Unvergesslich ist die Szene, wo sich hinter der nervös vor einem Schulhaus wartenden Protagonistin unbemerkt und in völliger Stille Krähen in grosser Zahl auf den Turngeräten sammeln, während drinnen die Kinder ein Lied singen. Ein Vorgang, der an dieser Stelle des Films bereits mit äusserster Bedrohlichkeit aufgeladen ist.
Die Eroberung der Lüfte
Eine Nacherzählung von Hitchcocks Film ist Lilja Rupprechts Inszenierung am Schauspielhaus jedoch nicht. Sie integriert etliche Elemente aus der gleichnamigen Erzählung von Daphne du Maurier, auf die sich Hitchcock zwar bezog, die er aber in vielen Punkten stark abwandelte. Und dann gibt es auch noch eine Art Prolog, der weit in die Vergangenheit zurückgreift: auf ein satirisches Stück des athenischen Komödiendichters Aristophanes aus dem Jahr 414 v. Chr. Dieses trägt ebenfalls den Titel «Die Vögel» und erzählt die Geschichte von zwei Athener Bürgern, die aus ihrer korrupten Heimatstadt fliehen, sich an die Vogelwelt wenden und ihr den Bau einer Stadt zwischen Götterhimmel und Menschenerde schmackhaft machen. Dank dieses Zwischenreichs würden die Vögel, so die Verheissung, den Verkehr zwischen den Göttern und den Menschen unter Kontrolle bringen und damit beide Sphären dominieren können. Vom Machtrausch ergriffen, stimmen die Vögel zu, doch am Schluss ist es der Mensch, der sich an die oberste Stelle setzt. In der Inszenierung kommen verschiedenste Bühnenmittel zum Einsatz, von Gruppentänzen über Videosequenzen bis zu knalligen Kostümen und suggestiver Computer-Livemusik.
Botschaften für Desorientierte
Das besondere Gepräge geben ihr jedoch vier Schauspieler des Theaters Hora, in dessen Ensemble nur Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung mitwirken. Sie verkünden teils rätselhafte, teils wiedererkennbare Botschaften für unsere desorientierte Welt, die sich unerklärlichen Gefahren gegenübersieht.
Warum aber fehlen den Vögeln von Anfang an die bei du Maurier und Hitchcock so präsenten Schnäbel, warum verlieren sie irgendwann ihr dunkles Federkleid und wandeln sich zu pinkfarbigen Ungeheuern? Ganz offensichtlich sind es nicht Vögel, die sich rächen. Wer aber dann?
Weitere Infos und Spielplan: https://www.schauspielhaus.ch/de/kalender/30709/die-voegel
Verlosung
Lokalinfo verlost 2× 2 Tickets für das Theaterstück «Die Vögel» am Mittwoch, 16. April, um 20 Uhr im Schauspielhaus Pfauen in Zürich.
Wer gewinnen möchte, sendet bis spätestens 11. April ein E‑Mail mit Betreffzeile «Vögel» und vollständiger Postadresse an:
Keine Korrespondenz über die Verlosung. Rechtsweg ausgeschlossen. Die Gewinner der Verlosung werden dem Ausschreiber bekannt gegeben.
Unsere «Edelfeder» fliegt von hinnen
Mit diesem Artikel verabschiedet sich unser Redaktionskollege Tobias Hoffmann in den verdienten Ruhestand. Wir danken unserer «Edelfeder» für die wundervollen Texte, die er auch über Themen weit ausserhalb seines langjährigen Haupthemas Kultur verfasst hat – hier wie dort gekonnt formuliert und immer vergnüglich zu lesen. Merci, Tobias!