Höhere Gebühren für tieferen ZFI
Der Wirtschaftsmotor Flughafen brummt wieder – aber auch der Lärm nimmt zu und überschreitet die Messlatte ZFI erstmals seit der Pandemie. Der Regierungsrat will deshalb die Lärmgebühren erhöhen – und der Bund ebenfalls.
Die Pandemie ist vorbei – und wie. Das zeigt sich exemplarisch am Flughafen: Im Jahr 2023 – davon handelt der letzte Woche vorgestellte Flughafenbericht des Regierungsrates – flogen wieder 28,9 Millionen Menschen via Zürich; 2019 waren es 31,5 Millionen; es fehlen weniger als 10 Prozent. An einzelnen Tagen während der Sommer- und Herbstferien 2023 waren es mehr als 100 000 Passagiere, im Durchschnitt waren 8 von 10 Flugzeugsitzen belegt und sassen 135 Personen in den Maschinen, 5 mehr als 2019. Mehr Passagiere in weniger Flugzeugen – aus Anwohnersicht grundsätzlich begrüssenswert.
Weniger Freude bereitet dem Regierungsrat aber nach wie vor, dass 3500 dieser Flüge zwischen 23 und 6 Uhr stattfanden. 3181 davon durften bis 23 Uhr bewilligungsfrei Verspätungen abbauen, 300 erhielten eine Einzelbewilligung, um nach 23.30 Uhr zu starten. Lediglich 5 hat das zuständige kantonale Amt für Mobilität wegen eines möglichen Verstosses nach Bern gemeldet.
Auf und ab mit dem ZFI
Dessen Chef Markus Traber strich bei der Präsentation noch zwei Besonderheiten hervor: Weil die Flugzeuge voller und schwerer sind und damit schlechter steigen und am Boden mehr Lärm verursachen, habe dies den ZFI (siehe Box) um 3 Prozent erhöht. Die präzisen Empa-Berechnungen zeigten zudem, dass der Süden und Westen 2023 etwas weniger, der Osten dafür etwas mehr Lärm erdulden musste. Dies, weil wegen des Wetters vermehrt auch tagsüber nach dem Ostkonzept (Landungen von Osten, Starts nach Norden) geflogen wurde. Dies wiederum drückte den ZFI gemäss Traber um 2 Prozent. Den Lärmteppich deutlich reduzieren würden die neuen und leiseren Flugzeugtypen (A350, A320 neo) auswirken, welche Swiss und Edelweiss in den nächsten Jahren einflotten wollten. Dennoch lag der ZFI mit 53 173 Lärmbelästigten deutlich über dem Richtwert von 47 000.
Damit ist auch der Regierungsrat unzufrieden. Gemäss der zuständigen Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh erwartet er, dass die Pünktlichkeit langfristig besser wird – in Kenntnis der schwierigen Situation mit dem Flugboom seit Corona (siehe Kommentar), dem Mangel an Fluglotsen und den weltweiten Konfliktherden, die das Fliegen kompliziert machen.
Regierung will mehr Pünktlichkeit
Weitere Massnahmen sollen helfen, Verspätungen zu verringern und so den ZFI zu drücken: die Verlängerungen der Pisten 28 und 32, damit nicht wegen einzelner schwerer Maschinen das Betriebskonzept umgestellt werden muss, was Kapazitäten kosten. «Sie sind ein ganz, ganz grosser Hebel für Pünktlichkeit und Sicherheit», so Walker Späh. Weiter sollen dank Schnellabrollwege die Pisten schneller frei werden. Abendliche Langstreckenflüge in den Abläufen Priorität haben, damit diese vor 23 Uhr losfliegen könnten. Und nicht zuletzt müsse auch abends genügend Personal bereitstehen, um die Passagiere abzufertigen.
Einen weiteren grossen Hebel sieht Walker Späh bei den Lärmgebühren. Diese wurden zwar 2019 angepasst, so dass späte Flüge teurer wurden, doch deren Effekt ging in der Pandemie unter. Derzeit bezahlen die Airlines je nach Maschine einen «Nachtzuschlag» zwischen 400 (A220, zwischen 23 und 23.30 Uhr) und 6000 Franken (A380, 23 bis 23.30 Uhr). «Der Regierungsrat findet, dass die Lärmgebühren zwischen 23 und 23.30 Uhr substanziell erhöht werden müssen», so Walker Späh. Das würde den Airlines einen Anreiz geben, modernere und leisere Flugzeuge einzusetzen.
Gebühren könne man aber nicht beliebig nach oben schrauben, schränkte Walker Späh ein, weil das Gesetz vorschreibt, dass sie keinen Ertrag abwerfen dürfen, welcher die Kosten im flugrelevanten Bereich überschreitet. «Aber wir können den Spielraum besser nutzen.»
Selbst Bund will höhere Gebühren
Das scheint nun auch der Bund zu wollen: Am Dienstag hat er entsprechende Pläne öffentlich aufgelegt. Demnach sollen die Grundgebühren für laute Flugzeuge (A330, A340 oder B777) verdoppelt und auch die Zuschläge nach 23 Uhr um ein Drittel erhöht werden. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) empfiehlt sogar, die Gebühr nach einer Übergangsfrist von 8 Jahren, nach der die Airlines leisere Flugzeuge einsetzen sollen, zu verdreifachen.
Festgelegt werden die Gebühren nicht vom Kanton, sondern der Flughafen, die Fluggesellschaft Swiss, die Flugsicherung Skyguide und letztlich das Bazl, das sie festsetzt (siehe Kommentar).
Im Übrigen ist der Kanton als Miteigentümer mit den Leistungen des Flughafens zufrieden: In den Rankings steht Kloten in Sachen Erreichbarkeit weltweit auf Platz 7, in Europa auf Platz 8 (Ziel: 8. Platz). Bei der Qualität (Ziel global 8. Platz, Ziel Europa 3. Platz) erreichte Kloten den 9. beziehungsweise 3. Platz.
Was ist der ZFI?
Mit dem Zürcher Fluglärm-Index ZFI wird der Fluglärm nicht gemessen, sondern berechnet. Die Empa verwendet dazu die Daten der tatsächlich erfolgten Flüge und Flugzeugtypen und verrechnet sie mit den Personen, welche im Einzugsgebiet wohnen. Erreicht die Zahl der belasteten Menschen 47 000, muss der Kanton Gegenmassnahmen ergreifen.