Headcoach Marjamäki: «Wir werden Frustrationstoleranz benötigen»
Lauri Marjamäki (47) ist der neue Headcoach des EHC Kloten. Der ehemalige finnische Nationaltrainer und zweifache Meistermacher mit Kärpat Oulu verfügt auch über vierjährige KHL-Erfahrung als ehemaliger Cheftrainer von Jokerit Helsinki.
Mit dem prominenten Eishockey-Fachmann unterhielt sich der «Klotener Anzeiger» mit Blick auf den bevorstehenden Saisonstart, der für Kloten am nächsten Dienstag mit einem Auswärtsspiel bei Rekordmeister Davos erfolgt.
Bis vor dem abschliessenden Testspiel vom Mittwochabend gegen Lugano (nach Redaktionsschluss beendet) verzeichnete Kloten eine eindrucksvolle Bilanz von sieben Siegen aus acht Testspielen, darunter dem Turniersieg am Dolomiten Cup. Und zuletzt glänzte man am letzten Wochenende mit zwei 3:2-Siegen nach Verlängerung daheim und auswärts gegen Schwenningen, den Sechsten der letzten DEL-Saison.
Die Neusortierung bei Kloten nach der Enttäuschung der letzten Saison scheint zu greifen. Aber Kloten darf sich noch nicht viel einbilden. Denn in der Vorsaison hatte man sich zum Testabschluss beispielsweise gegen den nachmaligen Playoff-Finalisten und Fast-Meister Lausanne durchgesetzt und dann gar mit einem 6:3-Sieg zum Liga-Auftakt beim hochfavorisierten EV Zug verblüfft.
Dennoch kam man am Ende der Regular Season über den vorletzten Platz hinaus und konnte froh sein, dass man den Ligaerhalt ohne eigene Leistungserbringung durch Schützenhilfe von nicht aufstiegsberechtigten Swiss-League-Teams schaffte. Der «Klotener Anzeiger» titelte deshalb im Saisonabschluss-Kommentar: «Kloten nun in der Bringschuld». Und dies sieht man im EHC vor dem Saisonstart genauso, wenn man sich im Umfeld des Klubs umhört. Im Interview betont Trainer Marjamäki: «Der Tisch ist leer für einen Neubeginn.»
Wie wurden Sie Headcoach von Kloten?
Ich coache im Eishockey bereits seit meinem 30. Altersjahr auf Profi-Ebene. Als ich hörte, dass sich bei Kloten die Möglichkeit eröffnet, Headcoach zu werden, wollte ich die Herausforderung annehmen. Die National League ist die beste Liga in Europa und nur schon so gesehen auch eine neue Challenge für mich, die ich selbst suchte.
Aber Sie übernehmen mit Kloten ein Underdog-Team der National League, das in der Vorsaison die Qualifikation im vorletzten Rang beendete.
Ich mag es sehr, dass hier bei null gestartet wird. Das heisst, dass auch der Sportchef (Ricardo Schödler, Red.) neu im Verein ist. Ich weiss, dass es in der letzten Saison mit drei verschiedenen Trainern (klingt so, als hätten die Trainer selbst Probleme gemacht …) etwas Probleme gab. Ich glaube nun, dass ein neuer Prozess auf unbeschriebenem Blatt beginnt. Es wird seine Zeit brauchen, doch es ist gut, dass ein Neubeginn stattfindet.
«Als Underdog-Team kann man aber kein Spiel gewinnen, ohne selbst etwas zu wagen und auch Fehler zu machen.»
Sie haben sich aber dennoch sicher ein Bild von der Vorsaison gemacht und entsprechende Videos von Spielen des EHC Kloten angesehen?
Das ist schon so. Aber wir müssen vorwärtsschauen. Aber gut, ich sah bei vielen Spielen, dass Kloten eigentlich eben-bürtig war. Doch dann folgte irgend-wann ein folgenschwerer Fehler, der eine Niederlage einleitete. Aber ich will keine Energie an die Vergangenheit verschwenden.
Für Sie ist enorm wichtig, wie das Team und jeder einzelne Spieler auf Eigenfehler reagiert. Sie verlangen da vereinfacht gesagt «eine positive Reaktion» auf eigene Fehler. Wie meinen Sie dies?
Im Saisoneröffnungsheimspiel gegen Schwenningen (3:2 nach Verlängerung, Red.) gab es noch Mängel, beispielsweise in der Passqualität oder in anderen Bereichen, in denen wir noch nicht unsere eigenen Ansprüche erreichten. Eine gewisse Nervosität machte sich bemerkbar, weil wir vor eigenem Publikum eine gute Leistung zeigen wollten. Wir alle wissen, dass wir noch viel Arbeit vor uns haben. Als Underdog-Team kann man aber kein Spiel gewinnen, ohne selbst etwas zu wagen und auch Fehler zu machen. Es ist unmöglich, dieses Spiel fehlerlos zu spielen. Aber ich betrachte es als eine meiner Hauptaufgaben als Cheftrainer, das Selbstvertrauen der Spieler möglichst hoch zu halten. Das heisst eben auch, dass die Spieler durch kleine Fehler nicht den Glauben an sich selbst verlieren sollen. Denn wir wollen mutig und couragiert auftreten, uns etwas zutrauen.
Sie registrierten auch bei den Siegen gegen Schwenningen einige «schlechte Angewohnheiten», die Sie eliminieren möchten.
Es gab beispielsweise Situationen, bei denen einfach klarere Entscheide im Puckmanagement unter Druck gefragt sind. Dann etwas mehr Disziplin bei den Wechseln, die sich noch einspielen müssen. In diesen Bereichen können wir uns sicher noch steigern.
Mit zwei ausländischen Verteidigern plus Bernd Wolf bekam die Verteidigung ein echtes Upgrade im Vergleich zur letzten Saison.
Als ich unterschrieb, stellte sich die Frage für die verbleibenden zwei Ausländer-Lizenzen. Ich denke, dass Tom Grégoire und Sami Niku sicher uns auch in der Spezialsituation enorm helfen können, vorab auch im Powerplay. Mit Leandro Profico, Steve Kellenberger und Nicholas Steiner verfügten wir bereits über drei andere sehr gute Verteidiger, die auch ihre Qualitäten haben und vielseitig eingesetzt werden können.
Sami Niku scheint sich bereits als Powerplay-Steuermann zu etablieren.
Keine Frage, er hat eine grosse und wichtige Rolle in unserem Team.
Wofür soll Kloten in der nächsten Saison stehen? Und wie wird Ihre Handschrift ersichtlich sein?
Mein Job ist vor allem auch, dass sich auch die Jungen und das Team insgesamt im Verlaufe der Saison weiterentwickeln. Wir haben schon klare Vorstellungen verfasst, wie wir uns auch in heiklen Phasen in der Saison verhalten wollen. Wir werden auch harte Erfahrungen machen. Und da ist es wichtig, diese mit positivem Mindset durchzustehen. Es ist einfach, dies jetzt zu sagen, wenn wir noch nicht in der Saison sind und noch keine problematischen Situationen erleben. Der Druck wird kommen, wenn wir drei Mal in der Woche spielen.
«Es wird seine Zeit brauchen, doch es ist gut, dass ein Neubeginn stattfindet.»
In der letzten Saison gab es acht Spiele ohne eigenen Torerfolg und in Niederlagenserien ganz heikle Phasen. Wie will man ein Déjà-vu vermeiden?
In der Teamsitzung für die Saison gab es klare Übereinkünfte, wie wir schwierige Phase durchschreiten wollen und wie wir uns verhalten und darauf reagieren sollen. Wir müssen hohe Standards anstreben und durchziehen, denn dieses Spiel stellt enorm hohe Ansprüche. Dies gilt auch für Positivserien. Ich will auch auf dem Eis, dass wir in beide Spielrichtungen imstande sind, mit hohem Speed zu agieren und zu reagieren. Das heisst, dass es auch darauf ankommt, wie wir auf Puckverluste reagieren. Wir benötigen da auch Frustrationstoleranz – auch wenn der Ligabetrieb mit drei Spielen pro Woche dann läuft.
Sie selbst setzen sich welche Art von Standards?
Ich bin neu hier. Alles ist für mich neu hier. Ich bin immer noch dran, daran zu arbeiten, dass wir einen gemeinsamen, richtigen Stil in der täglichen Zusammenarbeit finden. Es ist dann noch ein grosser Unterschied zwischen der Vorbereitung und der Meisterschaft, deshalb weiss ich, dass eine gute Vorbereitung nicht überbewertet werden darf. Doch unabhängig davon wird es für mich auch während der Meisterschaft wichtig sein, jungen Spielern Bewährungschancen zu geben. Und gesamthaft gilt: Wir selbst haben es in der Hand, welches Team wir sind. Wir können unser eigenes Verhalten kontrollieren. Und wir können uns zu einem Gewinner-team entwickeln. Aber dies zu erreichen, verlangt viel von jedem Einzelnen. Aber ich habe ein gutes Gefühl, dass das Team in die richtige Richtung zieht.
Wie verläuft die Zusammenarbeit mit Sportchef Ricardo Schödler und innerhalb des Vereins?
Ich spüre, dass alle im Verein mit grosser Vorfreude der neuen Saison entgegenblicken. Wir alle haben ein klares Bild und dasselbe Ziel im Team- und Coaching-Stab. Dafür ist die Balance innerhalb des Spielsystems gefragt. Es ist ein laufender Prozess, der Zeit beansprucht. Auch ich werde einen Lernprozess durchmachen. Denn vor allen Dingen hasse ich es auch selbst sehr zu verlieren.
«Ich will, dass wir in beide Spielrichtungen imstande sind, mit hohem Speed zu agieren und zu reagieren.»
Die Erwartungen sind nach der letzten Saison nicht zu hoch?
Wichtig ist eben, das Selbstvertrauen nicht zu verlieren. Der aus dem Nachwuchs gekommene Rafael Meier zeigte diese Mentalität bei seinem Torerfolg gegen Schwenningen am Samstag in Kloten. Ist sehr motivierend für die anderen zu sehen, mit welcher Energie ein solcher Youngster auf sich aufmerksam macht. Das wollen wir sehen und ist auch für den Coach sehr motivierend. Und ich bin auch sehr froh, dass mit Mischa Ramel nun ein anderes Eigengewächs für drei weitere Jahre hier unterschrieben hat. Er ist ein Spieler, über den sich Kloten glücklich schätzen kann, ihn in seinen Reihen zu haben. Das war nicht einfach, einen wie ihn zu halten.
Ihre Frau und Ihr Sohn spiel(t)en ebenfalls Eishockey.
So ist es. Und ich bin froh, dass meine Familie bald auch hier sein wird. Dies gibt mir auch ein wenig Ablenkung und Abstand vom Tagesgeschehen.
«Ich denke, dass Tom Grégoire und Sami Niku sicher uns auch in der Spezialsituation enorm helfen können, vorab auch im Powerplay.
Ihr Landsmann und Stürmer Niko Ojamäki gilt als einer derjenigen Spieler, von denen im Vergleich zur Vorsaison eine deutliche Leistungs-steigerung erwartet wird.
Das weiss er schon und hat in der Vorbereitung mit drei Toren in seinen ersten vier Testspielen der neuen Saison entsprechende Ansätze dazu gezeigt. Er ist aber auch ein ungemein mannschaftsdienlicher Spieler. Ich bin auch dabei, ihm zu helfen. Denn ich kenn ihn auch vom finnischen Nationalteam und von meiner Coaching-Tä-tigkeit bei Espoo her. Er weiss selbst, dass er im letzten Jahr seines Kontrakts besser spielen muss. Und es ist auch mein Job als Trainer, dies zu erreichen.
Ramel: «Der beste Platz für meine Entwicklung»
Stürmer Mischa Ramel (21) verlängerte seinen Vertrag bis 2028. Gegenüber dem «Klotener Anzeiger», der wie der «Stadt-Anzeiger» von der Lokalinfo AG herausgegeben wird, sagte das Eigengewächs: «Es gefällt mir sehr gut, vom Team und Staff her in Kloten. Hier wird sehr gut gearbeitet. Und es ist der beste Platz für meine Entwicklung. Ich will mehr Verantwortung im Team übernehmen und da ist Kloten für mich genau das Richtige.» Zum neuen Trainer Lauri Marjamäki sagt Ramel: «Er versucht jeden Tag, uns besser zu machen, und kommuniziert sehr gut mit uns.»