Handfester Datenschutz: Auch der Cyberspace wird gut bewacht
Die Armee hat letzte Woche übungshalber kritische Infrastrukturen geschützt. Dazu gehören inzwischen nicht mehr nur der Flughafen, sondern auch Rechenzentren in seiner Umgebung. Fielen diese aus, wäre das möglicherweise schlimmer als eine Schliessung des Airports.
Vergangene Woche schien eine ferne Realität die Flughafenregion eingeholt zu haben: überall Militärfahrzeuge, teils gepanzert und bewaffnet, Soldaten mit Gewehren in den Händen und Nachtsichtgeräten am Helm, Stacheldraht und andere Hindernisse vor Flughafentoren, ein Superpuma-Helikopter über Kloten. Gab es eine Terrorwarnung? Steht auch hier Krieg bevor?
So viel vorweg: zweimal nein. Es handelte sich um die Volltruppenübung «Skill Grande 24», bei der die Armee alle paar Jahre das Zusammenspiel mit den zivilen Behörden trainiert; 2018 im kleineren Rahmen auf Stufe Kompanie, 2022 im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Neu war diesmal der Umfang der Übung: Involviert waren etwa 1600 von rund 7000 Angehörigen der Ostschweizer Territorialdivision 4 – vom Kommandanten, Divisionär Willy Brülisauer, über die Kader, Soldatinnen und Soldaten bis zu Schutzhunden und sogar Beobachterpatrouillen zu Pferd.
Radar und Rechenzentren
Ihre Aufgabe war, die zivilen Behörden des Kantons Zürich während der ganzen Arbeitswoche zu unterstützen, indem sie kritische Infrastrukturen schützt. Dazu gehören der Flughafen und das Tanklager, die Radaranlagen von Skyguide, Unterwerke des Stromnetzes, aber ebenso die grossen Rechenzentren in Glattbrugg und Rümlang. Denn: Wenn gewisse Onlinedienste ausfallen, geht auch in der Schweiz fast gar nichts mehr.
Digital Realty betreibt in Glattbrugg und Rümlang drei grosse Rechenzentren von rund 25 000 Quadratmetern Fläche. Hier lagern Daten von Hunderten von privaten Firmen, aber auch staatlichen Stellen. Sicherheit wird dort grossgeschrieben – nicht nur bei Daten – mit Zäunen, Kameraüberwachung, Zugangskontrollen, Sicherheitschecks der Mitarbeitenden. Gilad Cohen ist für Qualität, Gesundheit, Sicherheit und Umwelt zuständig (Quality, Health, Security, Environment, kurz QHSE) und auch Verbindungsmann in Sicherheitsbelangen ausserhalb der Umzäunung. «Sicherheit kommt bei uns an erster Stelle, betont er. «Sie ist nicht nur notwendig, sie gehört zu unserer Firmenkultur.» Dass dies gerade in seiner Branche durchaus ein Verkaufsargument ist, verschweigt er nicht.
Digital Realty ist Bestandteil der Strategie zum Schutz kritischer Infrastrukturen (SKI, siehe Box). «Wir arbeiten dazu mit der Polizei, der Bundespolizei, dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und weiteren Akteuren zusammen», erläutert Cohen. Alle paar Monate tausche man sich unter den Beteiligten aus und passe die bereits getroffenen Massnahmen laufend an – weil sich auch die Bedrohungslage schnell ändere. «Deshalb schätzen wir es auch sehr, hier in diese Armeeübung eingebunden zu sein.»
Mit den Sinnen eines Hundes
Die Soldaten, die bis am Mittwoch die Serverfarm in Glattbrugg bewacht haben, stehen nun in Rümlang im Einsatz. Auch hier steht ein solches Rechenzentrum. Im Schutz eines Parkplatzdaches spähen Soldaten auf die nahe Flughofstrasse. Zwei gepanzerte Mannschaftstransporter verengen die Zufahrt, zwei Kollegen überwachen sie; ihnen steht die 6-jährige Schutzhündin Osiris zur Seite. «Sie reagiert nicht nur auf Gerüche, sondern auch auf schnelle Bewegungen oder Geräusche, etwa von Metall», erläutert der Hundeführer an ihrer Seite. Das macht das Tier so intensiv, dass es nach einer halben Stunde abgelöst wird und Pause machen kann.
Die Schichten der Soldaten dauern länger. Währenddessen überwachen sie die Zufahrt, auf der an diesem Wochentag Techniker ein- und ausfahren. Am Vorabend fand hier ein simulierter Übungsangriff auf die Bewacher statt; die Gäste des benachbarten Hotels kamen in den Genuss von viel «Action».
Olivier Honold ist Senior Client Success Manager bei NTT Global Data Centers. Seine Firma betreibt das Rümlanger Datencenter mit 10 800 Quadratmetern IT-Fläche. Dieser Standort wurde 2011 eröffnet und sei sozusagen Kilometer 0 des Schweizer Glasfasernetzes. Von hier laufen Datenkabel in sechs Richtungen. 2022 kam ein weiteres Rechenzentrum hinzu. Kritisch und deshalb schützenswert sei die Anlage auch deshalb, weil hier Daten von Blaulicht-Organisationen und Gesundheitseinrichtungen verwaltet würden. Fielen die Speicher der Anlage aus, wäre bald einmal Leben bedroht. Deshalb sei er froh um diesen Schulterschluss und den Einbezug in die Armee-Übung, bestätigt auch Honold.
Als wichtige Infrastruktur wird auch der Flughafen beziehungsweise sein Zufahrtstor 130 Richtung Rümlang bewacht. Die Beobachtungsgeräte auf den gepanzerten und bewaffneten «Duros» bewegen sich leicht, weil sie den Waldrand beobachten.
Eine Rettungskompanie hat derweil eine 1,2 Kilometer lange Wasserleitung von der Glatt ins Tanklager Rümlang gelegt. Dort führt sie das Löschen bei einem Grossbrand vor. Ein Sanitätszug betreibt im ehemaligen Hauptsitz der Flughafen Zürich AG eine Sanitätshilfsstelle für Verletzte.
Schützenpanzer im Autobahntunnel
Zuvor hatten Panzergrenadiere die Kantonspolizei unterstützt: Diese führte in der Nacht auf Mittwoch, 27. November, eine Verkehrskontrolle durch. Ein Schützenpanzer im Autobahntunnel Bubenholz erregte dabei viel Aufmerksamkeit.
Zur Übung gehörte auch, dass sowohl Soldaten als auch Kantonspolizisten in zivil als «Störenfriede» oder gar «Saboteure» unterwegs waren. Ihnen mussten die Armeeangehörigen habhaft werden – an besagter Kontrolle, beim Bewachen der zu schützenden Objekte und sogar mit Reiterpatrouillen, die zwischen Autobahn und Piste unterwegs waren. Alle Aktionen wurden von Schiedsrichtern beobachtet und gleich im Anschluss beurteilt. «Das bringt mehr als ein langer Rapport nach der ganzen Übung», ist Kommandant Brülisauer überzeugt.
Ein geheimes Inventar der kritischen Infrastruktur
Das Inventar kritischer Infrastrukturen (SKI-Inventar) bezeichnet Einrichtungen und Anlagen, die für Versorgung und Wirtschaft ausserordentlich wichtig sind: Knotenpunkte der Stromversorgung, der Telekommunikation oder im Nationalstrassennetz. Als besonders kritisch erachtet der Bund dabei die Erdöl- und Stromversorgung, Finanz- und Informationsdienstleistungen, Wasserversorgung und Strassenverkehr. Ein Ausfall würde einen grossen Teil der Landesbevölkerung betreffen – weshalb unter Umständen die Armee zum Einsatz käme.
Das Inventar ist Teil der nationalen Strategie zum Schutz kritischer Infrastrukturen (SKI). Es besteht seit 2012 und wird alle vier Jahre vollständig überprüft. Neu werden darin auch wichtige IT-Systeme, etwa für die Steuerung des Stromnetzes oder des Schienenverkehrs, aufgeführt, ebenso deren Betreiberfirmen. Im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung sind im Inventar neben den reinen Bauten auch Personen, Werkstoffe und Dienstleistungen aufgeführt.
Als Gefahren listet das die SKI neben Naturgefahren auch Stromausfälle, fehlerhafte IT-Systeme sowie Sabotageakte, Terrorismus, Cyberangriffe oder eine Pandemie auf.
Das SKI-Inventar ist «klassifiziert», also nicht öffentlich zugänglich. Es dient den zugriffsberechtigten Stellen (Bund, Kantone und Betreiber) als Grundlage für die Planung und Priorisierung, wenn sie Ereignisse bewältigen oder Risiken abwägen müssen.