Grosser Ärger mit Wutbürgern
Auch in den Glattalgemeinden gibt es Staatsverweigerer. Zwischen fünf und zehn Personen sind es jeweils in Kloten, Opfikon und Wallisellen. Ihre Wut ist so gross, dass sie nicht davor zurückschrecken, auch die Statthalterin zu belästigen.
Sie sind renitent, schikanieren, zahlen keine Steuern, schmeissen Bussen einfach weg, bleiben bei Einvernahmen stumm oder verweigern das Unterzeichnen von Urkunden. Staatsverweigerer, also Personen, die den Staat als Firma betrachten und daher ablehnen, werden auch für die Unterländer Behörden mehr und mehr zur Belastung, wie Recherchen des «Klotener Anzeigers» zeigen.
Kein Wunder, geht Statthalterin Karin Müller im neusten Jahresbericht gleich zu Beginn ihrer Ausführungen auf das Thema ein. Denn die Bülacher Bezirksverwaltung sehe sich vereinzelt mit Personen konfrontiert, die den Staat ablehnen, sämtliche Post ignorieren und auch keine Bussen akzeptieren würden. «In den letzten zwölf Monaten hatten wir es mit sechs Personen zu tun», sagt Müller, die anfügt, dass es während der Corona-Pandemie rund 10 Personen gewesen seien, also etwas mehr. Ob die Zahl wieder zunehmend sei, ist für die Statthalterin aber schwierig zu beurteilen. «Die sogenannten Staatsverweigerer werden bei der Fall-Erfassung nicht speziell gekennzeichnet», sagt sie.
Das Phänomen tritt aber nicht erst seit der Pandemie auf, so betont Müller. «Es gab schon vorher renitente Personen. Durch ihr wiedererkennbares Verhalten beziehungsweise ihre spezielle Schreibweise fallen sie heute aber mehr auf.» Zu tun bekommt es das Bülacher Statthalteramt in der Regel im Rahmen eines Einspracheverfahrens, in dem die Personen durch ihr Verhalten als Staatsverweigerer in Erscheinung treten. Trotz einer strikten und tief liegenden Abwehrhaltung würden die Staatsverweigerer aber nur selten über die Gründe sprechen. Müller: «Vielmehr stützen sie sich auf ihre Anschauungen.»
Polizei muss Post zustellen
Zu tun hat das Statthalteramt vor allem mit sogenannten Staatsverweigerern, weil sie sich behördlichen Anordnungen widersetzen (Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen, Paragraf 292, StGB). Müller: «Beispielsweise werden eingeschriebene Strafbefehle nicht abgeholt, so dass wir sie aufwendig mit der Polizei zustellen müssen.» Sie stützen ihre Abwehrhaltung allem Behördlichen gegenüber auf die Behauptung, der Staat sei eine Firma und daher nicht berechtigt, Bussen auszustellen oder auch Steuern einzutreiben. Nach Müllers Angaben seien einige sehr konsequent, würden sogar bei Einvernahmen nichts sagen. «Vielmehr wollen sie die Einvernahme filmen, was nicht erlaubt ist.» Und es komme auch vor, dass Beamte bedroht werden, so Müller weiter. «Auch ich wurde schon belästigt.»
«In den letzten zwölf Monaten hatten wir es mit sechs Personen zu tun.»
Die Gruppe der Staatsverweigerer ist im Bezirk Bülach heterogen zusammengesetzt. «Das berufliche Spektrum reicht vom Büezer bis zum Akademiker», so die Statthalterin, die anfügt: «Unter ihnen gibt es sogar Angestellte der öffentlichen Hand, die auf der einen Seite ihren Lohn vom Staat erhalten, ihm andererseits aber keine Steuern zahlen wollen.»
Vier Personen in Kloten
Grossen Mehraufwand verursachen Staatsverweigerer auch bei den Betreibungsämtern im Glattal. Sie müssen etwa Steuerschulden eintreiben und sind oftmals die ersten Vertreter des Staates, die mit Staatsverweigerern persönlich Kontakt haben. Beim Betreibungsamt Kloten sind derzeit vier Personen als Staatsverweigerer bekannt. «Ein sehr kleiner Teil unserer Bevölkerung», erläutert Mediensprecher Michel Gelin. Dennoch verursachen sie auch hier viel Mehrarbeit. «Dies äussert sich beispielsweise dadurch, dass sie die Mithilfe respektive Auskunft bei Pfändungsvollzügen teilweise verweigern», sagt Gelin. «Diese Personen kommen auch meist nicht auf dem Amt vorbei und müssen per Aussendienst besucht werden.» Die Zustellung eines Zahlungsbefehls gestalte sich daher meist schwierig. Auch das Unterschreiben von Vollmachten werde verweigert. Beobachtet wird das Phänomen in Kloten aber erst seit der Coronapandemie. Eine Zunahme sei derzeit nicht feststellbar, teilt Gelin weiter mit.
Eine Handvoll in Opfikon
Yves Hostettler ist Stadtammann und Leiter des Betreibungsamts Opfikon. Auch er kennt solche Fälle, die sich durch renitentes oder ungebührliches Verhalten und Druckversuche gegenüber Vollzugsbehörden sowie Beschimpfungen oder Bedrohungen bemerkbar machen. Konkret würden etwa Durchführung und Durchsetzung der Schuldbetreibung verweigert, indem offizielle Schreiben nicht angenommen oder Aussagen verweigert würden. Auch über Vermögenswerte oder Wohn- und Aufenthaltsorte gäben diese Personen keine Auskunft.
Die Zahl solcher Fälle ist auch in Opfikon klein: «Wir führen keine offizielle Statistik», teilt Yves Hostettler mit. «Schätzungsweise sollten es aber maximal fünf Personen sein, die uns bekannt sind.» Diese Zahl habe sich in den letzten drei Jahren auch kaum verändert. «Wir hatten schon vor der Coronapandemie mit Personen zu tun, die den Staat ablehnten», erinnert sich Hostettler. «Seit der Pandemie ist dies aber vermehrt aufgetreten.» Die Folgen in seiner Behörde seien ein zeitlicher Mehraufwand und eine erhöhte psychische Belastung der Mitarbeitenden.
Wallisellen: meist männlich
Mit dem Phänomen der Staatsverweigerer müssen sich auch die Walliseller Behörden auseinandersetzen, allerdings in unterschiedlicher Ausprägung. «Es ist zwischen Personen zu unterscheiden, die ein übersteigertes Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen haben und Staatsverweigern, welche amtlichen Stellen die Legitimation absprechen», erklärt Marcel Amhof, Kommunikationsverantwortlicher der Stadt, auf Anfrage. Misstrauische Personen seien unkooperativ und reichen beispielsweise keine Unterlagen ein. Staatsverweigerer würden die Ermächtigung von Amtsstellen, überhaupt tätig zu sein, bestreiten. Sie verweigern etwa das Einreichen der Steuererklärung, das Bezahlen der Steuern oder sie bestreiten die Einleitung von Betreibungsverfahren: «Alles staatliche Handeln und damit auch das Handeln von kommunalen Behörden und der Stadtverwaltung wird als nicht rechtens wahrgenommen», so Amhof.
Allerdings sei die Anzahl derer, die renitent gegenüber den Behörden auftreten, überschaubar, sagt Amhof. «Es gibt keine spezifische statistische Erhebung, über alle Abteilungen sind es weniger als eine Handvoll Personen, meist männlich.» Aktuell sei kein Anstieg feststellbar, «es handelt sich um wenige Einzelfälle, mit denen sich aber teilweise mehrere Abteilungen beschäftigen (Bildung, Soziales, Betreibungsamt, Steuern)». Die Coronapandemie hat dabei nicht als Katalysator gewirkt. «Dem Staat gegenüber misstrauische Personen gab es bereits vorher», führt Amhof weiter aus.
Folgenlos bleibt die Verweigerung nicht. Dazu der Kommunikationsverantwortliche: «Unabhängig davon, aus welchen Gründen eine Person sich nicht kooperativ zeigt, werden die möglichen rechtlichen Mittel angemessen ausgeschöpft. Das kann zu Betreibungen führen oder zur Einstellung von Unterstützung im Bereich der Sozialhilfe.» Inwiefern eine Vernetzung der Staatsverweigerer untereinander vorliegt, kann Amhof nicht beurteilen. Jedoch: «Die Verfügbarkeit von Informationen auf einschlägigen Websites führt dazu, dass gleich formulierte Schreiben an die Stadtverwaltung gerichtet werden.»
Fischbach wills genau wissen
Des Themas Staatsverweigerer und Reichsbürger angenommen hat sich auch der Klotener Kantonsrat und Stadtrat Christoph Fischbach (SP). In einer Anfrage gelangte er vergangenen Frühling mit fünf Fragen an den Regierungsrat. Dieser hält in seiner Antwort fest, dass das renitente Verhalten der Staatsverweigerer vor allem bei den Bezirksbehörden bekannt sei, wobei nicht alle Bezirke im Kanton Zürich gleich stark betroffen seien. Seit der Covid-19-Pandemie würde man aber eine vermehrt staatsablehnende Argumentation feststellen, jedoch bisher kein vermehrtes Gewaltpotenzial. Betroffen seien auch Zivilstandsämter und Gerichte. Als Beispiel wird in der Antwort angefügt, dass die Namen einiger Bezirksgerichte auf Google in «Bezirksgerichts AG» geändert worden seien. Dennoch würden sie nicht systematisch erfasst. «Die mit diesem Phänomen verbundenen Tatbestände stehen vielfach im Zusammenhang mit Sachverhalten, die nichts mit dem Phänomen ‹Reichsbürger› zu tun haben», schreibt der Regierungsrat. Deshalb sei eine statistische Erfassung und Auswertung von Vorfällen mit staatsablehnenden Gruppierungen gestützt auf bestehende Geschäftserfassungssysteme nicht möglich. Allerdings würden über das Kantonale Bedrohungsmanagement Informationen über besorgniserregende Sachverhalte ausgetauscht und nötigenfalls präventive Massnahmen eingeleitet.
Das unternimmt der Kanton gegen Staatsverweigerer
Wie der Regierungsrat in seiner Antwort auf eine Anfrage von Kantonsrat Christoph Fischbach (SP, Kloten) schreibt, betreibt die Kantonspolizei eine Interventionsstelle gegen Radikalisierung und gewalttätigen Extremismus, die sich auch des Phänomens der Staatsverweigerer angenommen hat. Sie entwickle Hilfsmittel für den Umgang mit solchen Personen, informiere und sensibilisiere Mitarbeitende von Kanton und Gemeinden mit Referaten und gebe Verhaltensempfehlungen ab.
Wichtig ist gemäss Erkenntnissen der Radikalisierungsforschung, mit solchen Personen in Kontakt zu bleiben und sie nicht zu stigmatisieren. Gelinge es, sie nicht auszugrenzen, könne einer Verschärfung der Situation, also einer (weiteren) Radikalisierung entgegengewirkt werden, schreibt der Regierungsrat weiter. Auch würden verschiedene Berufsverbände wie beispielsweise der Zürcher Verband der Zivilstandsbeamtinnen und Zivilstandsbeamten Schulungen zum Thema durchführen. Dabei werden die Teilnehmenden mit der Unterstützung spezialisierter Abteilungen, insbesondere der Kantonspolizei, sensibilisiert, und es werden Hilfestellungen für den Umgang mit staatsablehnenden Gruppierungen angeboten.
Ferner sei die Abteilung Forschung und Entwicklung von Justizvollzug und Wiedereingliederung an verschiedenen Forschungsarbeiten zu den Themen Extremismus, Radikalisierung und Rassismen beteiligt. Daraus liessen sich auch Erkenntnisse für Staatsverweigerer ableiten. (dj.)
Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen
Mit Staatsverweigerern zu tun bekommt es das Bülacher Statthalteramt vor allem im Rahmen eines Einspracheverfahrens. Leisten sie den behördlichen Aufforderungen keine Folge, so machen sie sich gemäss Paragraf 292 des Strafgesetzbuchs strafbar. Darin heisst es: «Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft.»
Eine weitere Bezirksbehörde ist der Bezirksrat. Er hat vor allem eine Aufsichtsfunktion über die Gemeindebehörden und Gemeindebeamten. Er ist aber auch erste Rechtsmittelinstanz für Anordnungen der Gemeinde. «Bisher ist aber niemand in einem Verfahren vor dem Bezirksrat als Staatsverweigerer in Erscheinung getreten», sagt Bezirksratsschreiberin Johanna Vopat. (dj.)