Freier Fall muss gestoppt werden
Der EHC Kloten befindet sich nach sechs Niederlagen in Serie an einem Saisontiefpunkt. In der zweiten Saison nach dem Wiederaufstieg müssen sich die Unterländer «neu erfinden», um den freien Fall zu stoppen und ein potenziell äusserst heikles Playout-Duell gegen Angstgegner Ajoie zu vermeiden.
Im Heimspiel gegen das zehntklassierte Biel (0:4) vom letzten Freitag war statt einer erhofften Reaktion des gesamten Teams nach dem ersten Gegentor und bis zum Ende des Mitteldrittels nur eine lähmende Verkrampfung auszumachen: eine Mischung aus Furcht vor Fehlern oder Strafen sowie verloren gegangenem Selbstvertrauen. Ein TV-Kommentator bezeichnete den Auftritt überspitzt als «Pleiten, Pech und Pannen».
Es sind nun aktuell bedenkliche Bilanzen sowohl in Spezialsituation als auch bei numerischem Gleichstand. Dazu kommt Harmlosigkeit im gegnerischen Slot und damit die Rückkehr zu einer Torarmut, die man noch vor wenigen Wochen überwunden zu haben schien. Auf ein 0:4 gegen Biel folgte nun am Sonntag ein 1:5 beim Tabellenvierten Lausanne, gegen den man sich bis zur Spielmitte noch fast auf Augenhöhe befunden hatte.
Im Heimspiel gegen Biel wurde den Seeländern geradezu leichtes Spiel in Klotens Slot ermöglicht. Wiederholt wurden die Gastgeber übertölpelt, selbst wenn sie sich vor dem eigenen Tor deutlich in Überzahl befanden. Biel nutzte das zu passive oder unaufmerksame Abwehrverhalten von Kloten eiskalt aus.
Maximale Leistungsbereitschaft?
Auch in der Offensive fehlte dem Team von Interimstrainer und Sportchef Larry Mitchell unabhängig von den zahlreichen Umstellungen der Sturmlinien die Entschlossenheit. Oder der Glaube ans eigene Durchsetzungsvermögen. Oft erhielt ein scheibenführender Mitspieler zu wenig Support. 4:13 Torschüsse im Mitteldrittel gegen Biel sprachen da Bände.
Man betont in solchen Fällen, dass es weder am Willen noch am Einsatz beziehungsweise am Kampfgeist fehlt. Doch nach dem Auftritt gegen Biel musste man sich wirklich fragen: War die maximale Leistungsbereitschaft jedes einzelnen Kloteners vorhanden? Ist man definitiv nicht so gut, wie die raren positiven Ausreisser, die Heimsiege gegen die ZSC Lions oder Davos beispielsweise, implizierten?
Aber wo und wer sind Klotens Leader auf dem Eis, die ihre Teamkollegen aus der Lethargie holen? Gegen Biel kam sowohl von den Imports als auch von den Schweizer Routiniers, aber auch von «Zukunftshoffnungen» einfach zu wenig.
Der vor einigen Jahren zurückgetretene Ex-Klotener Martin Plüss war seinerzeit ein Vorkämpfer, der auch bei uninspirierten Teamauftritten so gut wie immer noch herausragte – sei es im Klub oder im Nationalteam gewesen. Ein anderer, immer noch aktiver Ex-Klotener, der sich sein Standing ebenfalls in erster Linie nach seiner Anfangszeit bei den Flughafenstädtern und trotz zahllosen verletzungsbedingten Rückschlägen immer wieder neu erkämpfte, war und ist Damien Brunner. Der knapp 38-jährige Stürmer des EHC Biel wollte nach dem 4:0-Sieg der Seeländer seinen ehemaligen Stammverein ausdrücklich nicht zu hart kritisieren, stellte aber gleichwohl fest: «Kloten hatte wenig zusammenhängende Aktionen.»
Dabei verfüge das Team über gute Schlittschuhläufer und sei konterstark. «Sie kamen aber nicht zum Spielen, was hoffentlich auch etwas an uns lag. Doch auch unsere Tabellenlage ist prekär.» Bei der 2:3-Heimniederlage nach Verlängerung von Kloten gegen Biel Mitte November hätten die Zürcher sicher gewinnen können, «denn das war ein katastrophales Spiel von uns gewesen».
Brunner will weitermachen
Ende Januar wird Brunner entscheiden, ob er die Karriere beendet oder weitermacht. Für den ehemaligen NHL-Spieler kommt nur ein Weiterspielen in Biel in Frage. Wenn er zurückblickt auf die Anfänge seiner Zeit in Klotens Fanionteam, erinnert sich Brunner, dass er eine «ganz tolle erste Saison» hatte. Als Rookie imponierte er 2006/2007 mit 10 Toren und 9 Assists in 53 NLA-Spielen. «Als Bub träumte ich immer davon und erhoffte mir auch, solange wie möglich in Kloten zu spielen.» Doch dann sei vermehrt auf andere junge Spieler gesetzt worden. «Ich war in rund 60 bis 70 Spielen nicht berücksichtigt worden oder teilweise nur 13. Stürmer.» So sei der Wechsel zu Zug 2008 sinnvoll gewesen, wo der Trainer an ihn geglaubt hätte (der Kanadier Doug Shedden, die Red.). Unter Shedden avancierte Brunner zum Liga-Topskorer und schaffte gar den Sprung in die NHL, wo er für Detroit und New Jersey skorte.
Kontakt zu Kloten pflegt Brunner in erster Linie noch mit dessen Captain Steve Kellenberger, mit dem er schon zu Juniorenzeiten in Kloten zusammenspielte. «Und Assistenztrainer Kimmo Rintanen war früher einer meiner absoluten Lieblingsspieler», betont Brunner.
Nun folgt der Krisengipfel gegen Langnau
Am Freitag kommt es zu einem kapitalen Krisengipfel, wenn Kloten daheim die elftklassierten SCL Tigers empfängt. Es treffen die formschwächsten Teams der Liga aufeinander.
Der Vorletzte Kloten reihte zuletzt sechs Niederlagen aneinander, die SCL Tigers gar deren acht. Mit insgesamt 124 Gegentoren ist Kloten indes das abwehrschwächste Team der Liga, alleine in den letzten sechs Spielen kassierten die Unterländer 31 Gegentreffer. Die Tigers erzielten wie Kloten 77 Tore, kassierten aber 9 Gegentore weniger. Beim Kellerduell vom Freitag kann man fast von einem kapitalen Neun-Punkte-Spiel im Kampf für den direkten Klassenerhalt (11. und 12. Rang) sprechen. Eine weitere Niederlage könnte sich in der Endabrechnung für Kloten fatal auswirken. Ein Drei-Punkte-Erfolg ist fast Pflicht, obschon Kloten in den ersten beiden bisherigen Saisonduellen gegen die Emmentaler ohne Punktgewinn geblieben war.
Je nach Ausgang der Spiele vom Freitag gegen die SCL Tigers und vom Samstag auswärts gegen Ambri-Piotta dürfte danach wohl auch klar sein, ob Sportchef Larry Mitchell als Klotens Headcoach vorderhand weitermacht oder ob eine nächste Lösung an der Bande installiert wird.
Die Verantwortlichen inklusive Mitchell selbst haben zuletzt entsprechende Sondierungen vorgenommen. Dies hatte Mitchell schon vor Weihnachten für die jetzige Saisonphase angekündigt. Allenfalls ist der Entscheid hinter den Kulissen bereits unabhängig von den Resultaten der nächsten beiden Spiele gefallen. Richard Stoffel