Eine umstrittene Steuersenkungsvorlage
Am 18. Mai entscheidet das Stimmvolk im Kanton über eine Senkung der Gewinnsteuern für Firmen. Der kantonale Gewinnsteuersatz soll von 7 auf 6 Prozent gesenkt werden. Dafür sind FDP, SVP, GLP, Mitte und EDU, dagegen SP, Grüne, AL und EVP. Zudem gibt es einen klassischen Stadt-Land-Graben.
In zehn Tagen können die Stimmberechtigten im Kanton Zürich über eine Änderung des Steuergesetzes befinden. Es geht um eine weitere Senkung des Gewinnsteuersatzes für Unternehmen. Konkret soll der kantonale Gewinnsteuersatz von heute 7 Prozent auf neu 6 Prozent reduziert werden. Dies ist der zweite Schritt der sogenannten Steuervorlage 17, die bereits 2019 eine erste Senkung von 8 auf 7 Prozent brachte. Ziel der Vorlage ist es laut den bürgerlichen Befürwortern, den Wirtschaftsstandort Zürich für Unternehmen attraktiver zu machen, um im interkantonalen Steuerwettbewerb besser zu bestehen.
Doch es gibt auch gewichtige Stimmen, die gegen diese Steuersenkung sind. Vor allem die Städte befürchten hohe Ausfälle. In der Stadt Zürich etwa ist der Stadtrat geschlossen dagegen. 100 Millionen Franken pro Jahr koste die Reform die Stadt. Finanzvorstand Daniel Leupi (Grüne) betonte vergangene Woche an einer Medienkonferenz in Zürich, es sei völlig illusorisch, die entgangenen Steuern durch Firmenzuwächse zu kompensieren. «Die 100 Millionen fehlen vom ersten Tag an», so Leupi.
«Die 100 Millionen fehlen der Stadt Zürich vom ersten Tag an.»
Der kantonale Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP) hingegen sagt, auch bei der letzten Steuersenkung habe es die Befürchtung gegeben vor Steuerausfällen. Tatsächlich seien die Einnahmen der juristischen Personen aber gestiegen. «Ich bin überzeugt, dass wir langfristig nicht weniger Geld zur Verfügung haben werden», so Stocker an der Medienkonferenz der Befürworter in Stäfa.
Donato Scognamiglio warnt
Doch zurück zu besagter Medienorientierung der Vorlagengegner. Mit EVP-Kantonsrat und Immobilienexperte Donato Scognamiglio äusserte sich dort ein bekannter Wirtschaftsvertreter gegen die Steuersenkung: «Sonst müssen Hüslibesitzer mehr bezahlen», warnte Scognamiglio. Er betonte, man sitze im Kanton Zürich immer im Seitenwagen der Stadt Zürich. Für Firmen gebe es zudem ganz andere und viel wichtigere Finanzthemen als die Senkung des Gewinnsteuersatzes. Dazu komme momentan die Unsicherheit mit der Politik von US-Präsident Donald Trump.
«Wir werden langfristig nicht weniger Geld zur Verfügung haben.»
Ebenfalls aus der Wirtschaft meldete sich Sensirion-CEO Marc von Waldkirch zu Wort. Er gehört zu den Unterstützern der Vorlage. «Der Standort Zürich ist für uns nach wie vor sehr attraktiv», sagte er. Die gute Infrastruktur und das «exzellente Bildungssystem» seien zentrale Standortfaktoren. Gerade für einen international tätigen Sensorhersteller – gegründet 1998 als ETH-Spin-off mit heute über 1400 Mitarbeitenden – sei die Nähe zur ETH entscheidend. Bei den Steuern sähe es derweil etwas weniger gut aus. «Hier gibt es definitiv Handlungsbedarf», betonte von Waldkirch. Tatsächlich ist Zürich im Ranking der steuergünstigsten Kantone in den letzten Jahren zwölf Plätze zurückgefallen. Nur im Kanton Bern ist die Steuerlast für Unternehmen noch höher.
Kantone Schwyz und Zug locken
In den letzten Jahren sind deshalb laut den Befürwortern der Vorlage zahlreiche Unternehmen – insbesondere internationale Firmen und Holdings – aus dem Kanton Zürich weggezogen und haben sich in steuerlich günstigeren Kantonen wie Zug oder Schwyz angesiedelt. Die Kantonsregierung und die bürgerlichen Parteien (FDP, SVP, GLP, Mitte und EDU) argumentieren, dass eine tiefere Unternehmensbesteuerung langfristig auch dem Staat nütze: Durch die Ansiedlung neuer Firmen und die Stärkung des Wirtschaftsstandorts würden mehr Arbeitsplätze geschaffen und die Steuerbasis verbreitert. Dadurch könnten die anfänglichen Steuerausfälle später sogar kompensiert oder übertroffen werden. Zudem verweisen sie auf die Entwicklung in anderen Kantonen, die ihre Unternehmenssteuern bereits gesenkt haben und so wettbewerbsfähiger geworden sind.
Profitieren nur wenige Grosse?
Die Gegner der Vorlage, vor allem aus dem linken politischen Lager (SP, Grüne, AL, aber auch die EVP), warnen hingegen vor erheblichen Steuerausfällen. Schätzungen gehen von Mindereinnahmen von rund 350 Millionen Franken pro Jahr für Kanton und Gemeinden aus. Sie befürchten, dass diese Ausfälle entweder durch einen Abbau von öffentlichen Leistungen (zum Beispiel bei Bildung, Gesundheit oder Sozialem) oder durch Steuererhöhungen für Privatpersonen und kleinere Unternehmen kompensiert werden müssten. Gerade Letztere würden von der Steuersenkung kaum profitieren, da sie meist wenig oder keinen Gewinn versteuern. Kritisiert wird zudem, dass vor allem grosse internationale und gewinnstarke Unternehmen Nutzniesser der Steuersenkung seien, während die breite Bevölkerung und KMUs leer ausgingen.
Abstimmung wegen Referendum
Der Kantonsrat hat die Vorlage am 4. November 2024 mit deutlicher Mehrheit (111 zu 66 Stimmen) angenommen.
Gegen den Entscheid wurde jedoch das Referendum ergriffen, sodass nun die Stimmberechtigten das letzte Wort haben. Der Abstimmungstermin ist am 18. Mai. Auf nationaler Ebene kommt übrigens kein Thema vors Volk. Das spricht grundsätzlich für eine eher tiefe Stimmbeteiligung.