«Die Schweizer waren bärenstark»
Roger Bader (60) ist seit Ende 2016 österreichischer Nationaltrainer und seit 2018 zusätzlich auch als Sportdirektor tätig. Zum zweiten Mal in Folge verblüffte Bader nun mit den Österreichern bei der WM.
Nach dem 10. Rang im Vorjahr, inklusive einer WM-Siegpremiere gegen Olympiasieger Finnland liess man diesmal in der Vorrunde unter anderem Ex-Weltmeister Slowakei und Lettland (WM-Bronzegewinner 2023) hinter sich und erreichte die Viertelfinals, in denen man gegen den neuerlichen Silbermedaillengewinner Schweiz chancenlos blieb (0:6).
Bader wohnt in Kloten und war bei den Flughafenstädtern von 2001 bis Ende 2004 als Assistenztrainer des legendären Wladimir Jursinow tätig. Baders Tochter Jennifer ist zudem Gemeinderätin in Kloten, sein Sohn Thierry (ex-Kloten, zuletzt Bern, künftig ZSC Lions).
«Die Schweiz kann richtig froh sein, dass man einen Schweizer Trainer hat, der dies so gut macht.»
Roger Bader gilt wie Jursinow als exzellenter Ausbildner. Er coachte von 1996 bis 2009 verschiedene Junioren-Nationalteams, war im Amateur-Eishockey als Headcoach erfolgreich und wirkte als Assistent bei mehreren NL-Klubs. Bader ist ein regelmässiger Matchbesucher von National-League-Spielen, unter anderem auch wegen Bernd Wolf. Der 28-jährige Verteidiger von Kloten zählt zu den absoluten Leistungsträgern in Österreichs Nationalteam.
Nachfolgend äussert sich Bader in einem Exklusiv-Interview mit dem «Klotener Anzeiger» (der Schwesterzeitung des «Stadt-Anzeigers») zur WM und zu dem in der vergangenen Saison verblüffenden EHC Kloten.
Österreich stand erstmals seit 31 Jahren an einer WM im Viertelfinal. Wie ordnen Sie dieses Ausrufezeichen ein und welche Reaktionen gab es darob innerhalb des Landes und welche Anerkennung über die Landesgrenzen hinaus?
Es ist für uns ein verblüffender Erfolg. Wir waren angetreten, um primär mal den Klassenerhalt zu erreichen. Das ist realistisch, da wir auf Platz 13 der Weltrangliste stehen. Das ist keine Tiefstapelei, sondern eine Herausforderung, die wir erst einmal meistern mussten. Die Tatsache, dass Frankreich abgestiegen ist, was man nicht erwarten konnte, zeigt, dass wir vom ersten Tag an performt haben und in einen Lauf kamen. Wir wurden täglich besser. Am Ende schafften wir den Viertelfinal tatsächlich. Das ist ein historisches Resultat, erstmals seit 31 Jahren. Es gab von allen Nationen auf allen Ebenen viel Anerkennung – nicht nur für das Abschneiden, sondern auch für die Art und Weise, wie wir gespielt haben. Das wurde als grosse Überraschung gewertet.
«Wir kamen gar nie dazu, etwas zu kreieren, weil die Schweizer so dominant auftraten. Daraus müssen wir auch lernen.»
Was hat Österreich noch besser gemacht als im Vorjahr, um diesen Schritt in die K.-o.-Phase zu schaffen?
Wir sind seit 2022 in einer Entwicklung, seit wir den Platz in der A-Gruppe vom ausgeschlossenen Russland erbten. Seitdem sind wir jedes Jahr besser geworden. Letztes Jahr verloren wir im letzten Vorrundenspiel schmerzlich gegen Absteiger Grossbritannien. Aus dieser Situation haben wir gelernt. Man braucht manchmal solche Lektionen. Dieses Jahr wollten wir gegen jedes Team einfach unser Spiel durchziehen. Dadurch sind wir als Mannschaft besser geworden und haben uns weiterentwickelt.
Wie beurteilen Sie die WM des Kloteners Bernd Wolf (1 Tor/1 Assist und +4-Bilanz aus 8 Spielen)?
Bernd Wolf ist seit Jahren ein sehr wichtiger Spieler der Mannschaft. Er ist einer unserer besten Verteidiger. Er ist sehr zweikampfstark und verzeichnet so gut wie an jeder WM eine Plus-Bilanz, weil er auch im Spielaufbau sehr gut ist. Von ihm kommen die Scheiben hinten hinaus auf die Stürmer. Er kann Forechecker abschütteln. Dass er an dieser WM auch noch so produktiv war, ist ansonsten zwar nicht seine Hauptqualität. Es zeigt aber, welch guter internationaler Verteidiger er ist. Er ist für uns ein wichtiger Leistungsträger und zählt als Assistenz-Captain auch zum Captain-Team und ist auch in der Kabine ein sehr wichtiger Spieler für unsere Mannschaft – also in jeder Beziehung.
Die Schweiz besiegte im Viertelfinal dann Österreich mit 6:0, im Halbfinal Gastgeber Dänemark gar mit 7:0. Im Duell gegen die Schweiz wurde Österreich von der Schweiz komplett dominiert, gewann laut ihren Beobachtungen schon in der Startphase keinen einzigen Zweikampf. War die Schweiz einfach zu stark? Hätte es für Österreich ein taktisches Gegenmittel gegeben, um diese Schweizer aufzuhalten? Arno Del Curto deutete im Schweizer Fernsehen dabei etwas in diese Richtung an.
Im Viertelfinal zahlten wir Lehrgeld. Die Schweiz war da einfach zu stark. Es war ganz sicher keine Sache der Taktik oder Vorbereitung. Es war schlicht so, dass die Schweiz uns sehr ernst genommen hatten. Aufgrund der Tatsache wohl, dass sie uns im Vorjahr in der Gruppenphase nur in extremis mit 6:5 besiegen konnten. Dies führte dazu, dass sie mit der ersten Shift schon enormes Forechecking und Körperspiel betrieben und mit hoher Intensität agierten. Sie sind schon individuell klar das bessere Team. Und wir kamen selbst gar nie dazu, etwas zu kreieren, weil die Schweizer so dominant auftraten. Daraus müssen wir auch lernen. In solchen K.-o.-Spielen kann eine Topnation wie die Schweiz einfach nochmals einen Zacken dazulegen. Soweit sind wir noch nicht. Das müssen wir noch lernen. Ich mach meinem Team überhaupt keinen Vorwurf. Wir verloren gegen ein bärenstarkes Schweizer Team auch in dieser Höhe verdient und lernten viel dabei. Die Höhe der Kanterniederlage wurde durch das darauffolgende 7:0 der Schweiz im Halbfinal gegen Gastgeber Dänemark relativiert und zeigte einfach, wie stark die Schweiz war.
«Dieses Jahr wollten wir gegen jedes Team einfach unser Spiel durchziehen. Dadurch sind wir als Mannschaft besser geworden und haben uns weiterentwickelt.»
Ihr Vertrag als österreichischer Nationaltrainer und Sportdirektor läuft bis und mit der WM in der Schweiz im kommenden Jahr? Wird dann Arno Del Curto, der wegen der Nachwirkungen einer Hüftoperation seinen WM-Verzicht erklärte, wieder mit an der österreichischen Bande stehen?
Mein Vertrag bis nächstes Jahr verlängerte sich durch den Klassenerhalt bis zur WM Schweiz. Ich kann mir aber vorstellen, dass im Sommer nun Gespräche über eine vorzeitige Vertragsverlängerung darüber hinaus führen. Es besteht da gegenseitiges Interesse. Ob Arno Del Curto (die Trainerlegende ist ein Freund von Bader. Del Curto hatte in diesem Jahr in Österreichs WM-Trainerstab pausiert – Red.) nächstes Jahr wieder zum Coaching-Team bei uns zählen wird, ist noch offen. Das ist noch viel zu früh, um dies zu sagen. Ich hatte in diesem Jahr ein sehr gutes Coaching-Team um mich und kann mir vorstellen, das dieses auch im nächsten Jahr in der Schweiz in dieser Zusammensetzung wirken könnte.
Noch ein Wort zum Schweizer Nationalteam. Inwiefern steigerten sich die Schweizer nochmals gegenüber dem Vorjahr beim WM-Silbergewinn? Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Schweizer Teams der letzten Jahre und die Arbeit von Nationalcoach Patrick Fischer, der in seiner Amtszeit auch schon um seinen Job bangen musste?
Die Schweiz trat nochmals stärker als im Vorjahr raus. Es ist immer so, dass man aus bitteren Niederlagen lernen kann. Im Vorjahr war dies für uns der Fall mit der Niederlage gegen Absteiger Grossbritannien, die uns den Viertelfinal-Einzug verunmöglichte und für die Schweiz die Finalniederlage gegen Tschechien. Sie hätten schon damals den Titel verdient gehabt. Vieles hatte damals der Viertelfinalsieg der Schweiz gegen Deutschland ausgelöst. Das war ein wenig ein Angstgegner der Schweizer. Und für mich ist die Entwicklung der Schweizer sehr gut. Ich konnte die Kritik an ihn nie nachvollziehen und wunderte mich darüber. Ich empfand es als nicht richtig, dass man ihn kritisierte. Ich finde, er macht seit seinem Amtsantritt einen hervorragenden Job. Die Schweiz kann richtig froh sein, dass man einen Schweizer Trainer hat, der dies und so gut macht.
«Trainer Lauri Marjamäki hat ein Lob verdient, der das Team auf ein höheres Niveau führen konnte. Jetzt gilt es natürlich, dies in der nächsten Saison zu bestätigen.»
Thema EHC Kloten. Inwiefern verfolgten Sie Klotens erstaunliche Entwicklung zuletzt, an einigen Heimspielen waren sie ja selbst präsent? Wo sehen Sie die Gründe für den sportlich unerwarteten Aufschwung (7. Rang, Qualifikation, Playoff-Viertelfinal) vom Liga-Vorletzten zum Überraschungsteam der Liga?
Das Eishockey in der Schweiz verfolge ich natürlich, da zahlreiche Österreicher in der National League spielen. Und da ich in Kloten wohne, verfolgte ich das Team mit Bernd Wolf auch, manchmal auch in Heimspielen. Ja, die Entwicklung ist schon sehr erfreulich, wenn man sah, dass das Team praktisch in allen Saisonprognosen auf die letzten zwei Plätze gesetzt worden war. Das heisst nun, dass die sportliche Führung einen sehr guten Job gemacht hat. Sportchef Ricardo Schödler hat die Mannschaft sehr geschickt zusammengestellt. Und dann hat natürlich auch Trainer Lauri Marjamäki ein Lob verdient, der das Team auf ein höheres Niveau führen konnte. Jetzt gilt es natürlich, dies in der nächsten Saison zu bestätigen.
Kann diese Saison bestätigt werden, auch wenn beispielsweise die Import-Positionen auf die nächste Saison hin mit Ausnahme von Tyler Morley komplett neu besetzt sein werden?
Ich traue der sportlichen Führung unabhängig davon zu, dass der nächste Schritt getan werden kann.
Strahlkraft bereits ohne WM-Titel «enorm gross»
In einem Jahr steht die Heim-WM in der Schweiz mit den Spielorten Zürich und Freiburg im Programm. Nach zwei Silbermedaillen in Folge ist der Gewinn von WM-Gold das ultimative Ziel. Was würde der erstmalige WM-Titelgewinn für das Schweizer Eishockey bedeuten? Welche Strahlkraft würde er hierzulande auch über den Sport hinaus kreieren? Roger Bader meint: «Ich glaube, dass das Schweizer Eishockey schon jetzt ein sehr hohes Standing hat. Man hat zuletzt zweimal die Champions Hockey League auf Klubebene gewonnen (Genève-Servette bzw. ZSC Lions – Red.) und war nun mit dem Nationalteam ebenso zweimal in Folge im WM-Final. Oder das dritte Mal in den letzten sieben oder das vierte Mal in den letzten zwölf Jahren. Ich glaube, die Strahlkraft ist jetzt schon enorm gross, die Stadien hier sind sehr voll und der Stellenwert des Sports hoch. Von dem her denke ich, dass ein WM-Titelgewinn diese Strahlkraft gar nicht so enorm steigern kann, weil diese jetzt schon so gross ist. Das ist meine Ansicht.»