Die dritte Stufe der Wissbegier

Tobias Hoffmann

UZH3, das Vorlesungsangebot der Universität Zürich für Seniorinnen und Senioren, bietet die Gelegenheit, die Vielfalt der Zürcher Forschung kennen­zulernen und Gleichgesinnte zu treffen. Und nach dem Motto «mens sana in corpore sano» ermöglicht UZH3 auch Zugang zu einem Sportprogramm.

Wir befinden uns tief in den Eingeweiden des labyrinthischen Campus Universität Irchel. Heute ist Donnerstag, der 12. Dezember, und die Seniorenuniversität Zürich beschliesst ihr Veranstaltungsjahr mit einem Vortrag zum Thema «Schleier, Tuch, Textil. Ethnologische Perspektiven zur Stofflichkeit von Religion». Das Thema scheint nicht besonders gut zu ziehen, die Sitzreihen weisen viele Lücken auf. Das war offenbar beim Start im März ganz anders. Wie Marianne Bauer, Geschäftsleiterin der oft auch kurz UZH3 genannten Seniorenuni, später erwähnen wird, habe man damals etlichen Leuten den Zugang verwehren und sie auf die nebenan gezeigte Übertragung verweisen müssen.

Zwei Vorlesungen pro Woche

Die Vorlesungen an der UZH3 sind allen Mitgliedern zugänglich. 2280 Personen haben 2024 den Jahresbeitrag von 150 Franken bezahlt; die Mitgliedschaft gilt für ein Kalenderjahr. Die Vorlesungen finden traditionsgemäss am Dienstag und am Donnerstag von 14.15 Uhr bis 15.45 Uhr statt (die Hörsäle werden jeweils zu Beginn des Semesters auf der Website der Seniorenuni bekannt gegeben).

Der Betrag ist eine Flatrate für ein Programm mit rund vierzig Vorträgen, verteilt auf zwei Semester: von März bis Mai sowie von Oktober bis ­Dezember. Zwei Semester mit allen erdenklichen Themen, ein Schnelldurchlauf durch die vielfältigen Forschungsgebiete, die an der Universität Zürich (UZH) und auch an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) vorkommen. Übrigens können auch Nicht-Mitglieder die Vorlesungen der UZH3 besuchen. Der Einzeleintritt kostet 20 Franken und kann vor dem Hörsaal erworben werden.

Fragerunde ohne Blamagerisiko

Eine solche Ballung akademischen Wissens mag für viele abschreckend wirken, doch wie der Vortrag am 12. Dezember zeigt, sind sich die Referenten bewusst, dass sie nicht vor einem Fachpublikum sprechen. Die Präsentation ist nicht mit Fachausdrücken gespickt, und die beiden Ethnologen Paola von Wyss-Giacosa und Andreas Isler wirken sehr nahbar. Ihren Ausführungen zur Herstellung und Symbolik indonesischer Textilien kann auch ein breiteres Publikum folgen. Laut Marianne Bauer gibt es sowohl Mitglieder, die früher bildungsfern waren und Freude am Lernen bekommen haben, wie auch andere mit einer akademischen Berufskarriere, die ihren Horizont über ihr Fachgebiet hinaus erweitern möchten.

Institutionalisiert ist eine Fragerunde nach dem eigentlichen Vortrag. Während einer viertelstündigen Pause können sich die Mitglieder Fragen ausdenken, die per Zettel oder von den per Live­stream Zugeschalteten über die Chat-Funktion an die Referierenden geleitet werden. Auf diese Weise entfällt das umständliche Weiterreichen eines Mikrofons, ebenso die Scheu, sich mit einer Frage blosszustellen.

Die Seniorenuni Zürich wurde 1985 gegründet, als akademische Ergänzung zur Volkshochschule, die es in Zürich bereits seit 1920 gibt. Doch wie die Volkshochschule ist die Seniorenuni für Personen ab 60 Jahren frei zugänglich und setzt keinen bestimmten Bildungsabschluss voraus.

Das lebenslange Lernen, auch über die Zeit der beruflichen Tätigkeit hinaus, wird von Bund und Kantonen vermehrt gefördert – zumindest ideell bzw. auf dem Papier. Die UZH ihrerseits setzt seit längerem einen Fokus auf die Forschung zu gesundem Altern, Langlebigkeit und Wohlbefinden im Alter. Seit 1998 führt sie ein Zentrum für Gerontologie, um Forschung und Lehre auf diesen Gebieten interdisziplinär zu vernetzen. Ausserdem darf sie sich seit 2022 mit dem Prädikat «altersfreundliche Universität» schmücken.

Kein Geld von der Universität

Umso erstaunlicher erscheint es da, dass die Seniorenuni nicht etwa über das ordentliche Budget der UZH, also vom Kanton, finanziert wird, sondern ausschliesslich mit den Beiträgen ihrer Mitglieder zurechtkommen muss. Dennoch zahlt sie den Dozierenden «angemessene» Honorare, wie Marianne Bauer versichert. Etliche von ihnen haben Freude, beim anschliessenden Kaffeeplausch mit dem Publikum weiterzudiskutieren – nahbare Wissensvermittlung der schönsten Art.

Seit 40 Jahren im Irchel-Campus

Marianne Bauer, Leiterin der ­Geschäftsstelle, und Präsident Daniel Schreier geben Auskunft über die Ziele und Besonder­heiten des UZH3-Programms.

Frau Bauer, Herr Schreier, nach welchen Kriterien laden Sie die Dozierenden der UZH3 ein?

Daniel Schreier (DS): Die Vorträge sollen die Diversität der Forschungslandschaft an der Uni und an der ETH repräsentieren. Wir versuchen, alle Fakultäten und innerhalb der Fakultäten auch die einzelnen Fachrichtungen und Institute zu berücksichtigen. Vier Vorträge pro Jahr sind für die ETH vorgesehen. – Marianne Bauer (MB): Auch verschiedene Altersstufen sind zu berücksichtigen. Wir wollen nicht nur emeritierte Professoren präsentieren, es sollen auch jüngere Forschende mit speziellen Themen zum Zuge kommen. Ausserdem gibt es zwei bis drei englische Vorlesungen pro Semester. – DS: … und jetzt dann auch zum ersten Mal eine französische. Wir probieren immer mal wieder etwas aus. Es ist schwierig, ein ausgewogenes Programm zusammenzustellen, weil immer mehr Forschende ihr Interesse bekunden.

Sie bieten alle Vorträge auch im Live­stream auf Ihrer Website an. Dafür sammeln Sie allerdings Spenden, nicht?

MB: Das stimmt. Wir haben jedoch nicht sehr viel eingenommen (schmunzelt). Der Grund für den Aufbau der Plattform war Corona. Heute hat sich der Live­stream etabliert. Es gibt gegen 80 Personen, die ihn bei jeder Vorlesung nutzen. Der Durchschnittswert ist in den letzten Semestern stetig gestiegen. – DS: Wenn man etwas verpasst hat, kann man es so nachholen. Angesichts knapper Mittel müssen wir uns immer überlegen, ob wir etwas zahlen können oder nicht, aber wir sind uns einig, dass der Live­stream erhalten bleiben muss. Es gibt Mitglieder, die den Vorlesungen nur per Livestream folgen, aber auch jene, die ihn nie nutzen. Und es gibt solche, die sich einen Vortrag auf dem Livestream nochmals ansehen, weil er ihnen so gefallen hat.

Die Vorträge werden alle anmoderiert. Warum dieser Aufwand?

DS: Wir bewegen uns in einem akademischen Rahmen, und wir wollen darauf hinweisen, dass die Dozierenden Wissenschaftler sind, die einiges geleistet haben. In den allermeisten Fällen kennt das Pu­blikum die Dozierenden und ihren Kar­riereausweis nicht. Zudem sind sie unsere Gäste, und es gehört sich, dass man sie angemessen einführt und würdigt.

Was verwundern mag: Die Uni Irchel ist punkto öffentlichen Verkehrs kein günstiger Ort. Wieso sind Sie nicht im Zentrum?

MB: Das hat unter anderem historische Gründe. Aber es ist grundsätzlich schwierig, an der Uni Hörsäle zu finden. 1985, als man die Seniorenuni gründete, wurde gerade eine Bauetappe im Irchel fertig, und man bot den Initianten Hörsäle hier an, weil die Belegung noch nicht sehr hoch war. So ist es dann geblieben. – DS: Es ist wichtig, die Routine zu behalten: Die Vorträge finden an bestimmten Tagen zu bestimmter Stunde statt – und das bleibt unverändert. Zudem muss man sagen: Wir haben gute Slots, die sehr begehrt sind.

Den Weg zum Hörsaal zu finden, ist sehr schwierig. Doch auf Ihrer Website findet sich keine Anleitung. Wie also soll man wissen, wo sich der Saal Y04 G30 befindet?

MB: Es ist schwierig, das stimmt. Vor allem die Gebäudeebenen sind schwer zu verstehen. Auf der Uniagenda sind alle Situationspläne hinterlegt. Das Problem ist, dass die Leute von allen Richtungen kommen. Wenn uns jemand fragt – wir erhalten ab und zu solche Anfragen –, versuchen wir natürlich, den Weg zu erklären. – DS: Aber eigentlich ist es doch ganz einfach: Gehen Sie den älteren Menschen nach.

Interview Tobias Hoffmann

Einige Höhepunkte des Jahresprogramms 2025 der Seniorenuni Zürich (UZH3)

Dienstag, 11. 3.: Genderwahn? Ein linguistischer Blick auf den Zusammenhang von Sprache und Geschlecht. Prof. Dr. Noah Bubenhofer, Deutsches Seminar, UZH.

Donnerstag, 20. 3.: The Big 5 – die grossen sozialen Gesundheitsrisiken. Prof. Dr. Oliver Hämmig, Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention, UZH.

Donnerstag, 3. 4.: Klangschätze bewahren: eine Reise durch das Phonogrammarchiv der Universität Zürich. Dr. Camilla Bernardasci / Dr. Dieter Studer-Joho, Institut für Computerlinguistik, UZH.

Donnerstag, 30. 10.: Rausch, Ek­stase und Erkenntnis mittels LSD und Pilzen? Prof. Dr. Dorothea Lüddeckens, Religionswissenschaftliches Seminar, UZH.

Donnerstag, 6. 11.: Der ewige Stress … von akuten zu generationenübergreifenden Konsequenzen. Prof. Dr. Katharina Gapp, Institute for Neuro­science, ETH Zürich.

Dienstag, 2. 12.: Auf den Hund gekommen. Zur Sozialgeschichte der Mensch-Hund-Beziehung. PD Dr. Aline Steinbrecher Frei, Right Livelihood Zentrum, UZH.

Donnerstag, 4. 12.: Herausforderndes Verhalten bei Demenz – was ist das und was kann man tun? Dr. Florian Riese, UFSP Dynamik Gesunden Alterns, UZH.

 

Gesamtprogramm, Zusatzangebote und Anmeldeunterlagen: www.seniorenuni.uzh.ch/de.html

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