«Die Ajoie-Fans stehen gegen Kloten zu 1000 Prozent hinter uns»
Tim Wolf war 2022 Aufstiegs-Goalie von Kloten – als B-Lizenz-Gastarbeiter von Ajoie. Nun könnte er mit Ajoie zum zweiten Mal in einer Best-of-7-Serie auf Kloten treffen. Wir unterhielten uns mit Ajoies Goalie zur Klotener Vergangenheit und seiner sportlichen Zukunft.
Der 32-jährige Zürcher, der 2014 mit den ZSC Lions als Ersatzgoalie Meister wurde und dabei den Sweep (4:0 Siege) im Final gegen Kloten miterlebte, befindet sich aktuell in Topform. In seinen letzten fünf Spielen für Ajoie verzeichnete der 1,86 Meter grosse und 80 Kilogramm schwere Wolf eine Abwehrquote von 94,8 Prozent, in seinen letzten drei Spielen gar 95,8 Prozent – ein absoluter Topwert.
Als Wolf 2021/2022 für Kloten acht Playoff-Spiele auf dem Weg der Unterländer zum Swiss-League-Meistertitel und Wiederaufstieg bestritt, imponierte der Nationalteam-erfahrene Keeper gar mit 96,05 Prozent abgewehrten Schüssen. Wolf strahlt mit seiner stoischen Ruhe eine verlässliche Sicherheit für sein Team aus. Kein Wunder, machte er doch im Verlauf seiner Karriere schon an mehreren Orten einiges durch, ehe er 2019 in Pruntrut sesshaft wurde. Und seither eine persönliche Eishockey-Liebesbeziehung und Konstante im Jura erlebt.
Tim Wolf, Sie sind fünffacher Titelträger. Sie wurden einmal Meister mit den ZSC Lions, gewannen den Swiss-League-Meistertitel mit Ajoie und Kloten, wurden mit Ajoie auch Cupsieger. Und zudem figuriert noch ein Spengler-Cup-Titel in Ihrem Palmarès.
Der Gewinn des Spengler-Cups 2014 wird mir angerechnet. Aber es ist eher eine kuriose Geschichte. Ich war damals mit Davos am Spengler-Cup engagiert. Und wurde dann für ein Spiel als Ersatzgoalie vom nachmaligen Turniergewinner Genf engagiert, weil im Halbfinal grad alle Genfer Torhüter krank waren. Deshalb wurde mir dies irgendwie gutgeschrieben, obschon ich im Final gar nicht mehr dabei war.
«Es gab schon Gespräche mit Kloten. Aber Konkretes ergab sich aus den Gesprächen nicht.»
Welches war der emotionalste Titelgewinn für Sie?
Das Grösste war der Cupsieg für Ajoie. Das ganze Stadion beim Final von 2020 in Lausanne war voll mit Jurassiern, die Stimmung unglaublich. Und wir gewannen mit 7:3. Wir bereiteten uns damals auch top auf den Final gegen Davos vor, übernachteten auch in Lausanne. Das ganze Drumherum war extrem emotional. Natürlich waren die Meistertitel mit den ZSC Lions auch cool. Aber ich war da halt mehr zweiter Torhüter und spielte nicht regelmässig. Deshalb war dies schon ein wenig anders. Die beiden Aufstiege mit Kloten und Ajoie waren natürlich auch nicht alltäglich. Aber insgesamt denke ich, dass der Cupsieg in mir persönlich die grössten Emotionen auslöste. So was werde ich wohl nicht mehr erleben.
Welche Erinnerungen haben Sie an den Aufstieg mit Kloten?
Es war eine spezielle Situation. Meine Frau organisierte die Wohnsituation in Zürich für eineinhalb Monate. Die Zeit mit der Frau und den Kindern war unvergesslich. Und dann für mich die Herausforderung, in ein Team zu kommen, das man eigentlich nicht kennt, in dem man nicht selbst drin ist. Ich wurde aber mega herzlich aufgenommen. Zwei Aufstiege hintereinander waren für mich dann schon sehr speziell.
Das Teamleben in Kloten nahmen Sie wie wahr?
Sie nahmen mich herzlich auf, auch wenn sie wussten, dass ich von Ajoie kam und dorthin wieder zurückgehen würde. Es war ein homogenes Team in Kloten, alle hatten es gut miteinander und hatten Spass. Die Mitspieler machten es mir sehr einfach, mich zu integrieren.
Ein Jahr davor setzten Sie sich noch mit Ajoie im Swiss-League-Final um den gleichzeitigen Aufstieg durch.
Manchmal gab es schon den einen oder anderen Spruch. Aber es war nie schlimm. Und schliesslich ist es Sport. Wenn ich für Ajoie spiele, dann spiele ich für Ajoie. Und wenn ich für Kloten spiele, dann für Kloten. Ich glaube, dass es half, dass ich gegen Kloten aufgestiegen bin. Eine Erfahrung, die ihnen wohl auch ein wenig Sicherheit gab. Aber der eine oder andere Spruch kam von beiden Seiten her. Einseitig war es nicht.
«Zwei Aufstiege hintereinander waren für mich dann schon sehr speziell.»
Was blieb in Ihrer Erinnerung von der damaligen Serie haften?
Im sechsten Spiel machten wir einen Rückstand wett und konnten einen Zwei-Tore-Rückstand noch wenden und gewannen dann in der Overtime ein beidseits sehr offensiv geführtes Spiel mit viel Auf und Ab für uns selbst. Die Serie war insgesamt sehr ausgeglichen. Der 3:2-Sieg in Spiel 5 in Kloten, als es mir auch persönlich sehr gut lief, war sicher wichtig. Und wir waren uns bewusst, dass wir alle Energie ins sechste Spiel geben wollten, weil ein siebtes Spiel in Kloten sehr schwierig und eng für uns geworden wäre.
Weshalb wurden ausgerechnet Sie damals für die letzten sechs Saisonwochen von Kloten verpflichtet?
Das ist eine gute Frage. Grundsätzlich ging es damals einfach auch darum, eine Problematik für Dominic Nyffeler zu verhindern, der bereits für die darauffolgende Saison bei Olten unterschrieben hatte. Und wir trafen mit Kloten ja dann im Final auf Olten. Diesen Clinch wollte man Dominic Nyffeler nicht zumuten, was ich aus menschlicher Sicht auch verstehe. Es hiess damals auch, dass ich als Absicherung für den anderen Klotener Goalie Sandro Zurkirchen engagiert würde. Schliesslich lief alles gut und wir konnten auch die Finalserie gewinnen und stiegen auf.
Wie sehen Sie die Favoritenrollen für die Playouts verteilt?
Der grösste Unterschied zu den Playoff-Finalserien mit Kloten und Ajoie ist nun beim Playout, dass es keinen positiven, sondern negativen Druck gibt. Man kann nicht, sondern muss gewinnen. Playout zu spielen, ist nicht cool und lässig. Da geht es auch um Existenzen im Verein. Das ist sicher der Unterschied. Einen Favoriten gibt es nicht. Wir haben sicher gegen Ende der Qualifikation gezeigt, dass wir bereit sind, als wir ein paar grosse Klubs schlagen konnten. Aber Kloten zeigte schon während der gesamten Saison, dass sie auch die grossen Klubs schlagen können. Ich denke deshalb, dass wir da in etwa auf Augenhöhe diese Playouts bestreiten werden. Es wird sich zeigen, wer mental besser mit der Pause umgehen kann. Und dies noch mit dem Rätselraten, ob man nun spielen oder doch nicht mehr spielen muss. Das ist sicher nicht einfach, eine zusätzliche Herausforderung. Wir hatten nach der Qualifikation zwei Freitage, danach trainierten wir wieder, ehe ein freies Wochenende folgte. Seit Montag trainieren wir intensiv.
Ajoie ist gestärkt durch die Erfahrung des letztjährigen Abstiegskampfes. Da lag man in der Ligaqualifikation gegen La Chaux-de-Fonds gar mit 0:2 zurück, ehe man mit vier aufeinanderfolgen Siegen doch noch den Ligaerhalt schaffte. Kloten ist sich ein Messer am Hals und die Abstiegsgefahr schon länger nicht mehr gewöhnt.
Es kann sicher ein Vorteil sein, mit der Erfahrung des Messers am Hals zu spielen. Aber ich denke nicht, dass es für Kloten ein Riesennachteil ist, nicht über diese Erfahrung zu verfügen.
«Der grösste Unterschied zu den Playoff-Finalserien mit Kloten und Ajoie ist nun beim Playout, dass es keinen positiven, sondern negativen Druck gibt.»
Aber das Selbstverständnis auch im Umfeld ist schon etwas anders. Kloten hat in dieser Saison mit 600 Besuchern den grössten Zuschauerrückgang der National League verzeichnet. Ajoie beendete auch in diesem Jahr die Qualifikation im letzten Rang und verzeichnete dennoch 220 Zuschauer mehr als in der Vorsaison. Ist man im Jura demütiger, hat es weniger Schönwetterfans?
Die Fankultur im Jura ist sehr speziell. Sie sind sehr treu, mit ganzem Herzblut dabei und hockeyfanatisch. Das mit Kloten hat sicher etwas mit der Region Zürich zu tun. Auch bei den ZSC Lions gab es jetzt ja einen Rückgang. Hier im Jura ist das Hockey halt wirklich wie eine Religion. Alle stehen hinter dem Klub. Alle Ajoie-Fans versuchen, für das Team quasi der siebte Mann auf dem Eis zu sein. Sie unterstützen einen bedingungslos. Sie stehen hinter der Mannschaft. Man ist auch realistisch. Man weiss, wer man ist und woher man kommt.
Aber es wäre schön, ein paar Punkte mehr zu holen?
Klar, und in der Rangliste weiter oben zu sehen. Aber die Fans haben bemerkt, dass wir in dieser Saison Fortschritte gemacht haben. Leider haben sich diese noch nicht ganz in Punkte umgewandelt. Wenn man uns spieltechnisch verfolgt hat, konnte man schon feststellen, dass eine Steigerung erfolgte, wir einen Schritt vorwärts machten. In Zukunft geht es darum, dies in Punkte umzusetzen. Doch jetzt in der Playout-Serie gegen Kloten werden die Fans zu 1000 Prozent hinter uns stehen.
Klotens Regular Season missriet abgesehen von den drei Derbysiegen so gut wie vollkommen.
Letzte Saison lief alles die gesamte Saison über für Kloten, aber wirklich alles, vom Anfang bis zum Schluss. Jetzt ist für Kloten einfach die Realität ein wenig zurückgekommen. Einzelne Spieler bei Kloten konnten vielleicht nicht mehr so viel liefern wie im Vorjahr. Und dann geht es in dieser Liga natürlich schnell. Dies machte sich vielleicht etwas bemerkbar durch die Einbusse beim Zuschauerzuspruch. Weil man einfach etwas höhere Erwartungen hat als Fan. Wahrscheinlich geht es einfach eine Zeit lang, bis man die gesamte Organisation wieder in die Erfolgsspurt zurückführen kann. Manchmal gibt es aber auch Leistungsrückschritte, die normal sind und dazugehören. Man darf sich von diesen einfach nicht verunsichern lassen. Ich gehe davon aus, dass diese Playout-Serie bis zum Ende ziemlich ausgeglichen verlaufen und spannend sein wird, wenn sie stattfindet.
Zu wem in Kloten pflegen Sie noch ab und zu Kontakt?
Mit Dario Meyer hab ich unter anderen Kontakt, aber eher ausserhalb der Saison. Sonst nicht gross. Ich versuche, mich immer auf den Klub zu fokussieren, bei dem ich unter Vertrag stehe.
Nächste Saison spielen Sie beim EV Zug. Aber Sie besassen auch ein Angebot von Kloten.
Es gab schon Gespräche mit Kloten. Aber Konkretes ergab sich aus den Gesprächen nicht. Damals wollte Kloten noch einen zweiten Schweizer Torhüter. Vielleicht kommt es ja doch noch dazu, weil man ja nie weiss, wie kurzfristig sich doch Änderungen auf die nächste Saison hin ergeben können. Aber für mich kristallisierte sich dann Zug als beste Lösung heraus. Das passt genau für mich als nächster Arbeitgeber.