Bei Mobbing hört der Spass auf
Mobbing ist an Schulen weitverbreitet. In einem Referat erläuterte die Expertin Christelle Schläpfer, wie man die Schikanen erkennt und wie Eltern und Schule darauf reagieren sollten.
Der fast vollständig gefüllte Stadtsaal im Klotener Konferenzzentrum Schluefweg zeigte, wie gross das Interesse nicht nur von Eltern schulpflichtiger Kinder, sondern auch von Mitgliedern der Klotener Schulbehörde und Lehrpersonen am Thema Mobbing ist. Anhand vieler Beispiele und Kurzfilme zeigte Christelle Schläpfer, Mobbing-Expertin, Lehrerin und Inhaberin von edufamily.ch, auf, wie man Mobbing erkennt und von kurzzeitigen Konflikten unterscheidet sowie was man als Erwachsene dagegen unternehmen kann.
Mobbing oder ein Konflikt
Anhand von drei Beispielen sollte das Publikum, das immer wieder zu seiner Meinung befragt wurde, den Unterschied zwischen Mobbing und Konflikt erkennen. Im ersten Beispiel ging es um ein Kindergartenkind, das begeistert vom Schaukeln war und die Schaukel deshalb ständig für sich beanspruchte. Bis die anderen Kinder es kurzerhand von der Schaukel schubsten. Und auch an den folgenden Tagen wurde der Junge gleich von der Schaukel befördert, wenn er sie wieder besetzen wollte. Ansonsten wurde er jedoch in Ruhe gelassen. «Kein Mobbing», urteilte Christelle Schläpfer. «Es geht um einen Gegenstand, der allen gehört. Es handelt sich lediglich um eine ungeschickte Konfliktlösung. Würde man den Jungen jedoch auch sonst blöd finden, könnte daraus Mobbing entstehen.»
Im zweiten Fall geht es um ein zehnjähriges Mädchen. Seine Sachen verschwinden, seine Stifte werden zerbrochen und sein Znüni wird geklaut. «Das ist Mobbing», so die Fachfrau. «Es sei denn, sie ist nicht die Einzige, der es so ergeht. Wenn die Klassenkameraden so etwas allgemein lustig finden oder eine Tiktok-Challenge machen, dann ist es ein anderes Thema. Mobbing ist, wenn es immer dasselbe Kind trifft.»
Im dritten Fall schliesslich geht eine 13‑jährige, frisch verliebte Schülerin zum ersten Mal mit dem Angebeteten aus, macht Selfies von dem Abend und postet sie auf Instagram. Darauf bricht eine Flut böser Posts über sie herein, viele davon definitiv unter der Gürtellinie. «Das ist ein erster Schritt zu Cybermobbing. Solche persönlichen Angriffe sind häufig verbunden mit klassischem Schul-Mobbing.» Da müsse man schauen, was hinter dieser heftigen Reaktion stehe. Hat sie vielleicht jemandem den Freund ausgespannt? «Mobbing ist eine sehr komplexe Sache, es ist ein Symptom. Man muss die Tiefe dahinter erkennen. Manche Verhaltensweisen sind wie Dünger für Mobbing.»
Ein Gruppenphänomen
Die Gruppendynamik ist eine grosse Kraft. «Mobbing ist ein Gruppenphänomen. Es sind nicht nur die Mobber, die den Schaden anrichten, es gibt auch viele, die schweigend zuhören, und diese wiederum stärken die Mobber in ihrem Handeln.» Kinder wollen dazugehören, den Mobber vielleicht sogar als Freund gewinnen, deshalb schweigen sie. Zugehörigkeit sei das wichtigste Bedürfnis im psychologischen Bereich, so Christelle Schläpfer. Kinder, die schweigend zuschauen, seien oft sogar Freunde des gemobbten Kindes. Das mache die Sache für das Opfer noch schlimmer.
Das Selbstwertgefühl stärken
Wie können Eltern vorbeugen? Ein Kleinkind fühlt sich gemäss Christelle Schläpfer erst einmal minderwertig und strebt danach, gleichwertig mit den «Grossen» zu werden. Unbewusst hindern Eltern das Kind immer wieder daran, indem sie ihm sagen: «Das kannst du nicht, lass das sein.» Eltern sollten bestrebt sein, das Selbstwertgefühl des Kindes von klein an zu stärken. «Ein Kind, das ein gutes Selbstwertgefühl hat und sich zugehörig fühlt, hat das Mobben nicht nötig. Täterkinder kompensieren, indem sie andere herunterdrücken.» Eltern sollten mit ihren Kindern auch präventiv über Mobbing reden. Am besten gehe es, über Geschichten an das Thema zu kommen, so die Fachfrau.
Wie können Eltern reagieren, wenn sie das Gefühl haben, ihr Kind werde gemobbt? «Am besten ist es, das Kind nicht direkt nach dem Problem zu fragen, sondern ihm signalisieren, dass man da ist und bereit, zuzuhören.»
Ein grosser Leidensdruck
Mobbing ist keine Lappalie, es hat oft dramatische Auswirkungen wie Schlaf- und Essstörungen, Abfall der schulischen Leistungen, Selbstverletzung bis hin zu Suizidgedanken. Aber viele gemobbte Kinder und Jugendliche erzählen niemandem von ihrem Leiden, sei es aus Scham oder aus Angst, dass es danach noch schlimmer werden könnte. «Die Lehrpersonen bekommen oft nichts mit, weil Mobbing stets im Verborgenen stattfindet. Deshalb wäre es wichtig, dass die Zuschauer-Kinder den Mut haben, der Lehrperson diskret zu melden, wenn ein Mitschüler oder eine Mitschülerin gemobbt wird. Doch viele verwechseln Zivilcourage mit Petzen und haben Angst, danach selber im Fokus zu sein.»
Eine besonders schlimme Form von Mobbing ist Cybermobbing. «Das Netz ist kein rechtsfreier Raum», so Christelle Schläpfer. «Es sollte ein Gesetz geben, wonach diese Täterinnen und Täter viel härter bestraft werden können. Aber leider geht es meist viel zu lange, bis es zu einer Anzeige kommt. Die Kinder und Jugendlichen tragen die Verantwortung für ihr Handeln und müssen die Konsequenzen tragen.»
Gemeinsam Lösungen suchen
Mobbing ist immer ein Ungleichgewicht, personenzentriert, beleidigend und hat das Ziel, eine Person fertigzumachen. «Mobbing unter Kindern und Jugendlichen kann man nie im Alleingang lösen, es ist ein Fall für die Schule. Deshalb ist es wichtig, dass die Lehrpersonen umgehend informiert werden, wenn ein Verdacht besteht, denn meistens bekommen sie nichts mit. Das Problem muss gemeinsam mit der ganzen Klasse angegangen und es müssen die Auslöser gefunden werden. Jeder Fall ist anders und muss individuell angegangen werden.»
Mobbing sei auch in Kloten, vor allem auf der Sekundarstufe, immer wieder ein Thema, sagte Stadtrat und Schulpräsident Christoph Fischbach in seiner Ansprache. «Die Schule Kloten toleriert kein Mobbing. Bei Mobbingverdacht werden die Klassenlehrperson und die Schulleitung reagieren. Sie arbeiten mit dem Schulpsychologischen Dienst und der Schulsozialarbeit zusammen und werden bei Bedarf von Fachpersonen und der Polizei unterstützt. Deshalb es ist wichtig, dass die Schule informiert wird, wenn ein Mobbingverdacht besteht.»
Was Eltern betroffener Kinder meiden sollten
- Die Eltern eines Opferkindes sollten auf keinen Fall das Täterkind oder die Eltern des Täterkindes aufsuchen, um ihr Kind zu schützen. Das hat oft Racheaktionen gegen das Opferkind zur Folge.
- Das Kind sollte nicht dazu aufgefordert werden, sich zu wehren. Kinder, die sich körperlich wehren, gelten früher oder später selber als «Problemkinder».
- Eltern sollten der Schule nicht beschuldigend begegnen, sondern es müssen gemeinsam Lösungen gefunden werden.
- Eltern sollten keine Massnahmen ergreifen, ohne dass das Kind damit einverstanden ist. Das wäre ein Vertrauensmissbrauch.
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