Babyglück bei bedrohten Fröschen

Pascal Turin

Diese Erfolgsgeschichte beginnt mit einem Zufall: Der Zoll am Flughafen Zürich konfiszierte Kaulquappen und Froschlaich. Es war ein Glücksfund. Der Forschungsstation des Zoos Zürich ist deswegen der Aufbau einer Reservepopulation des bedrohten Orangeaugen-Laubfroschs gelungen.

Der Zoo Zürich ist mehr als ein Ort, an dem Eltern ihren Kindern endlich mal die Tiere aus den Bilderbüchern in der Realität zeigen können. Zwar sind die imposanten Elefanten, süssen Pinguine oder gefährlichen Raubkatzen nach wie vor Publikumsmagnete – doch der Zoo versteht sich längst als Naturschutzorganisation. Dazu gehört neben dem Artenschutz und der Bildung auch die Forschung. Auf diese sollte kürzlich die mediale Aufmerksamkeit gelenkt werden.

Seit rund einem Jahr ist die Forschungsstation, die sich oberhalb des Aquariums und neben dem Terrarium befindet, geöffnet und kann schon einen grossen Erfolg vorweisen: Stolz präsentierte Zoodirektor Severin Dressen den Nachwuchs des Orangeaugen-Laubfrosches. Aus ein paar Dutzend Kaulquappen und einer Handvoll Froschlaich – beides am Flughafen Zürich vom Zoll konfisziert – gelang es dem Zoo, 30 Frösche aufzuziehen. «Der Laich ist aus Costa Rica in einer Thermoskanne zu uns geschmuggelt worden», erzählte Dressen vor den Medien.

Man habe also plötzlich 30 Frösche einer bedrohten Art gehabt, deren Situation in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet alles andere als positiv sei. «Und zeitgleich existiert keine Reservepopulation, obwohl es diese unbedingt geben sollte. Also haben wir uns hingesetzt, alles verfügbare Wissen zur Zucht und Haltung zusammengetragen und uns an die Arbeit gemacht», so Dressen.

Bisher keine koordinierte Zucht

Wie sich herausstellte, ist dem Flughafen-Zoll ein Glücksfund gelungen. Das natürliche Verbreitungsgebiet des Orange­augen-Laubfroschs sind die tropischen Wälder Costa Ricas. Doch das mehrheitlich nachtaktive Tier ist in grossen Teilen seines eigentlichen Lebensraums weitgehend ausgestorben.

Laut dem Zoo lassen sich Restpopulationen stattdessen in städtischen Gebieten und Vororten finden, etwa in Hotelanlagen mit Teichen oder auf Kaffeeplantagen. Die Nähe zum Menschen berge jedoch ein grosses Risiko. So komme es immer wieder zur Zerstörung von Laich und Kaulquappen. Und der Lebensraum, die Gewässer, seien oft stark verschmutzt.

Auch in Europa existieren kaum Orangeaugen-Laubfrösche. Ein kleiner Bestand soll in einem Naturkundemuseum in England, ein einzelnes Tier in ­einem weiteren Zoo in Deutschland leben. Ein paar Exemplare  befinden sich bei zwei Privathaltern. Von koordinierter Haltung und kontrollierter Vermehrung kann also nicht die Rede sein.

In der Forschungsstation des Zoos Zürich scheint sich die bedrohte Froschart aber offensichtlich wohlzufühlen. Nicht nur der Laich, der damals konfisziert wurde, hat sich entwickelt. «Es hat jetzt auch wieder die Nachzucht geklappt», erklärte Dressen. Kein Wunder, denn die Räume funktionieren wie Klimakammern und bieten so ideale Bedingungen  – egal ob bezüglich Temperaturkontrolle oder Luftfeuchtigkeit. «Alles, was diese Tiere brauchen, können wir simulieren», sagte Dressen.

Zoos wollen Frösche übernehmen

Die Schritte, die zum Erfolg führten, hat das Team der Forschungsstation dokumentiert. In Zusammenarbeit mit der Organisation Citizen Conservation – ein Netzwerk aus Zoos und engagierten Privathaltern – entstehen gemäss Zoo daraus nun erste Richtlinien zum Aufbau und Erhalt einer Reservepopulation. Interessiert an der Übernahme von Fröschen sind aktuell zehn andere europäische Zoos. In einem weiteren Schritt soll auch das gesammelte Wissen geteilt und verbreitet werden.

Geforscht wird übrigens nicht nur am Orangeaugen-Laubfrosch. In einem anderen Raum läuft zum Beispiel ein Forschungsprojekt der Universität Bern zur Lernfähigkeit von Pfeilgiftfröschen. Besucherinnen und Besucher können die Wissenschafterinnen und Wissenschafter bei ihrer Arbeit zuschauen – was auch für die Forschenden im ersten Moment etwas ungewohnt ist. «Wir haben es zum Glück hier mit einem sehr disziplinierten Publikum zu tun, sodass jetzt nicht dauernd jemand gegen die Scheibe schlägt», sagt Dressen augenzwinkernd. Die Zoogäste würden sich sehr daran interessiert zeigen, was hier passiere. Bei den Kindern «hochgradig beliebt» seien zum Beispiel die Touchscreens. Mit der Forschungsstation, aber auch dem Naturschutzzentrum bei der Masoala-Halle will der Zoo seinem Publikum erklären, was er in Sachen Natur- und Artenschutz alles macht.

Der Höhepunkt bei einem Besuch im Zoo Zürich sind also nicht die Publikumslieblinge wie Elefanten oder Pinguine. Es ist das, was teils hinter den Kulissen, teils öffentlich sichtbar für den Schutz bedrohter Arten geleistet wird.