Auf der grossen Hockey-Bühne
Der Walliseller Pius Suter verdient sein Geld seit inzwischen fünf Jahren in der nordamerikanischen NHL, der besten Eishockey-Liga der Welt. Im Interview spricht er über seine Erinnerungen ans Glattal und seine aktuelle Situation.
Pius Suter, welche Erinnerungen haben Sie an Wallisellen?
Viele. Was mir speziell geblieben ist: Am 24. Dezember trafen wir uns immer auf der Eisbahn zum «Chneble». Und assen dann eine Pizza. Das war wie ein Ritual. Roger Karrer (Verteidiger bei Genf-Servette, die Red.) war auch dabei, wir sind zusammen aufgewachsen und er ist einer meiner besten Freunde. Im Sommer spielten wir oft vor dem Mösli-Schulhaus Unihockey. Manchmal auch mit Rollschuhen.
Hatten Sie einen Lieblingsort?
Wir bewegten uns meist um das Sportzentrum herum. Und als dann die Badi aufging, waren wir oft dort. Aber als Teenager orientierte ich mich dann in Richtung Zürich und besuchte die Sportschule in Oerlikon.
Wie fanden Sie zum Eishockey?
Durch die Cat Week. Ich hatte schon mit 5 Jahren einen Kurs in Schlittschuhfahren besucht. Aber in der Cat Week waren wir beim EHC und beim FC. Ich spielte dann beides, hatte irgendwann aber keine Zeit mehr für den Fussball. Eishockey gefiel mir immer besser.
Wann haben Sie realisiert, dass Sie gerne Profi werden möchten? Und dass das tatsächlich möglich sein könnte?
Ich machte mir da nicht gross Gedanken. Ich spielte einfach Eishockey, weil mir das Spass machte und ich dort viele Freunde hatte. Aber ein Moment aus dem Jahr 2009 ist mir schon geblieben. Kloten war damals einer der zwei Austragungsorte der Eishockey-WM. Norwegen und die USA trainierten jeweils in Dübendorf. Da gingen wir natürlich hin und sammelten Autogramme. Das hatte schon etwas Prägendes, weil ich dachte: So weit würde ich es auch gerne mal bringen. Zu den Spielern, die in meinem Heft unterschrieben, gehörten übrigens unter anderem Patrick Thoresen und Ryan Shannon. Mit denen spielte ich später beim ZSC.
Sie sprechen den ZSC an, für den Sie 2015 debütierten und bei dem Sie später Liga-Topskorer wurden. Wie hat der ZSC Sie entdeckt?
Der EHC Wallisellen ist Teil der Nachwuchspyramide der ZSC Lions. Da ist man automatisch im System drin. Ich hatte das Glück, dass ich immer in ziemlich guten Teams spielen konnte. In Dübendorf bei den Moskitos spielte ich zum Beispiel mit Karrer und Jérôme Bachofner (stürmte zuletzt für den EHC Biel, die Red.). So ging es Schritt für Schritt nach oben.
Bevor Sie Profi wurden, spielten Sie in der Juniorenliga Ontario Hockey League (OHL) zwei Jahre für Guelph Storm. Was bleibt von dieser Zeit?
Mein Agent Georges Müller machte mich damals darauf aufmerksam, dass es die Möglichkeit gab, in Kanada zu spielen. Mir war das gar nicht so bewusst gewesen. Aber es reizte mich sehr. Und es war eine coole Zeit. Ich hatte eine wunderbare Gastfamilie, aber natürlich wirst du selbstständiger, wenn du mit 17 ins Ausland gehst. Die Erfahrung hat mir gut getan.
In den nordamerikanischen Nachwuchsligen verdient man praktisch nichts. Wie haben Sie sich durchgeschlagen?
Ich glaube, es waren 470 Dollar im Monat. In dem Alter reichte das locker. Zumal Kost und Logis ja vom Team übernommen wurden. Ich leistete mir mit Teamkollegen ab und zu einen Kino-Abend. Und sonst waren wir viel auf Achse, zu den Spielen. Da braucht man nicht viel Geld.
Heute spielen Sie in der NHL, die letzten beiden Saisons bei den Vancouver Canucks. Sie verdienten dort 1,6 Millionen Dollar, wovon die Hälfte für Steuern und Abgaben wegfliesst. Trotzdem die Frage: Hat das Geld Sie verändert?
Ich glaube nicht. Ich habe immer noch die gleichen Freunde. In Vancouver fahre ich manchmal noch immer mit dem Velo ins Training. Aber klar: Ich bin privilegiert und muss beim Essen oder den Ferien nicht dauernd aufs Preisschild schauen.
Für den Gönnerbeitrag an den EHC Wallisellen scheint das Budget auch noch zu reichen.
Also der Jahresbeitrag bei der Supportervereinigung kostet jetzt nicht so viel (lacht). Den zahle ich gerne.
Wann waren Sie letztmals in Wallisellen auf dem Eis?
Das ist schon ein paar Jahre her. Aber der Eismeister ist immer noch der gleiche, den kenne ich schon seit einer Ewigkeit.
Beim EHCW spielt seit 2024 ihr jüngerer Bruder Kaj. Haben Sie ab und zu ein Spiel von ihm via Stream verfolgt?
Leider nicht, mit der Zeitverschiebung von neun Stunden ist das auch nicht so einfach.
2020/21 waren Sie und Ihr Bruder für einige Spiele Teamkollegen bei den GCK Lions in der Swiss League.
Ich bin dankbar, dass wir das erleben durften, wir werden das nie vergessen. Es gab zwei weitere Gründe, weshalb ich für GCK spielte: Ich wollte beim ZSC niemandem den Platz wegnehmen. Und ich konnte so mein Aufbauprogramm ungestört absolvieren, mit dem ich mich auf Chicago vorbereitete.
Ihr Vertrag in Vancouver läuft aus, im Juli können Sie sich Ihren neuen Arbeitgeber unter den 32 NHL-Teams frei auswählen. Rick Tocchet, Ihr Coach bei den Canucks, wechselte gerade nach Philadelphia. Wäre das eine Option? Oder gibt es anderweitige Präferenzen?
Dazu kann ich nicht viel sagen. Klar hat man Präferenzen. Aber wir müssen erst einmal schauen, welche Möglichkeiten sich bieten.
Man kann davon ausgehen, dass der neue Vertrag deutlich besser dotiert sein wird. Sie spielten 2024/25 mit 46 Skorerpunkten in 81 Partien Ihre bisher produktivste Saison. Sie gelten als Boxplay-Spezialist und als einer der komplettesten Stürmer der Liga. Wie schafft man es, immer besser zu werden?
Es gibt sicher Spieler, die mehr Zeit ins Videostudium investieren als ich. Aber ich mache meine Hausaufgaben schon. Ich arbeite an meinem Schuss und an anderen kleinen Dingen. Denn ich habe den Anspruch an mich, Fortschritte zu erzielen. Und das geschieht nicht von allein.
Die NHL-Saison umfasst 82 Qualifikationsspiele. Gewöhnt man sich an die hohe Kadenz an Partien?
Ehrlich gesagt: Beim ZSC waren es mit Playoffs und Champions League auch nicht viel weniger. In der NHL ist einfach das Niveau höher. Du kannst es dir nicht leisten, mal einen ruhigen Abend einzulegen. Da fällst du sofort ab.
Aufgrund Ihrer Vertragssituation war eine Teilnahme an der WM in Dänemark und Schweden zu heikel – es ist Usus, dass Spieler mit auslaufenden Verträgen aufgrund des Verletzungsrisikos die WM auslassen. Wären Sie im Final trotzdem gerne dabei gewesen?
Auf jeden Fall. Ich spiele immer gerne für die Nationalmannschaft, der Teamspirit dort ist sehr gut. Die Entwicklung dieser Mannschaft ist der Hammer. Schade, dass es nicht für Gold gereicht hat. Aber dieser Moment wird kommen, da bin ich mir sicher.
Steckbrief von Pius Suter
Geburtsdatum: 24. Mai 1996
Grösse: 180 cm
Gewicht: 79 kg
Bisherige Klubs als Profi: Vancouver Canucks, Detroit Red Wings, Chicago Blackhawks, ZSC Lions, GCK Lions.
Grösste Erfolge: 364 NHL-Einsätze, 2018 Meister mit den ZSC Lions, 2013 OHL-Champion mit Guelph Storm, 2020 wertvollster Spieler der National League, Liga-Topskorer und Torschützenkönig