Als noch Römer in Kloten siedelten
Der Förderverein Hegnerhof war am Karsamstag auf historischer Spurensuche. Zusammen mit Eugen Klöti spazierte die Gruppe zum damaligen römischen Gutshof – ein abenteuerlicher Rundgang.
Weder eine Strasse noch ein Weg führt zum römischen Zeitzeugen – der Villa Rustica, die archäologischen Untersuchungen zufolge um das Jahr 50 nach Christus erbaut wurde. Wer also die Bestandteile des römischen Gutshofs begutachten möchte, muss entlang einer Wiese spazieren, die neben der Autobahn Richtung Bülach verläuft. Doch ist das verwachsene Grün erst einmal passiert, haben Interessierte weitere Hindernisse zu bewältigen. Ein elektrischer Zaun, der eine Weide abgrenzt, auf der eine Wanderherde von Black-Angus-Rindern grast, befindet sich ausgerechnet beim geschichtlichen Standort. «Sind diese Rinder gefährlich?» und «Ist der Zaun geladen?» sind somit Fragen, die sich auch die Gruppe des Fördervereins Hegnerhof stellt. Von weitem die Mauern zu beobachten, reicht nicht – wer nicht nahe an die geschichtsträchtigen Wände des Gutshofs herangeht, kann diese nur schwer erkennen. Demnach begibt sich die Gruppe über die Absperrung; ein couragierter älterer Herr drückt mit seinem Gehstock den Zaun nach unten – hinein ins Territorium der Rinder. «Was man nicht alles macht für eine historische Exkursion», sagt ein Teilnehmer lachend. Der Hirte ist umgehend zur Stelle und bleibt bis zum Ende der Ausführungen. Die Rinder scheinen vorerst kein Problem mit den unerwarteten Besuchern zu haben.
Grundmauern blieben erhalten
Sind die Hindernisse überwunden, steht die Gruppe vor Grundmauern, die das Dasein der Römer in Kloten verifizieren. Die Steinmauern sind Bestandteile eines Landhauses, das damals ein landwirtschaftlicher Mittelpunkt der römischen Siedler war. Mit einer Gesamtgrösse von ungefähr 280 auf 200 Metern erstrecken sich mehrere Gebäude über die Flur Aalbühl. Ein Herrenhaus, ein Badgebäude, ein Nebengebäude sowie ein kleiner Bau sind Teile des Komplexes, von dem noch die Umrisse zu sehen sind. Über 300 Jahre nutzten die Römer diese Anlage als Produktionsstätte ihrer landwirtschaftlichen Versorgung. Inzwischen trägt die Fundstelle den Namen Schatzbuck, da neben den ausgegrabenen Mauern auch Wandmalereien, Scharniere aus Bronze und Silber sowie insgesamt 70 Münzen gefunden wurden. Für die Rekonstruktion der römischen Lebzeiten ist der Gutshof historisch wertvoll. Zudem galt die Umgebung des heutigen Flughafens schon zu Römerzeiten als zentraler Knotenpunkt – eine Strasse wenige Meter neben dem Gutshof verband Windisch mit dem Glattal und relevante Städte wie Winterthur mit Zürich.
Als wäre es seine Lebensgeschichte
Einer, der sich bestens mit der Geschichte der Römer in Kloten auskennt, ist der Gruppenführer und Mitglied des Fördervereins, Eugen Klöti. Er fordert die Teilnehmer während des Rundgangs – vom nahegelegenen Parkplatz bis zum römischen Fund – immer wieder zum Anhalten auf. Dann erzählt er, was archäologische Untersuchungen ergeben haben, holt alte Karten aus seiner Tragetasche und rekonstruiert das Leben der Römer. Sein vertieftes Interesse erklärt Klöti wie folgt: «Meine Familiengeschichte ist eng mit Kloten verknüpft, weswegen ich mich viel mit dem Ort befasse.» Nach jahrelanger Recherche hat der Urklotener mittlerweile ein Archiv im Hegnerhof erstellt. Darin befinden sich zahlreiche Beiträge, die sich mit der Vergangenheit der Römer im heutigen Kloten auseinandersetzen. Der Vergangenheit auf den Grund zu gehen, könne viele Menschen beflügeln, so Eugen Klöti. Denn heutzutage würden sich die Leute nur für sich selbst und die jetzige Zeit interessieren. Dabei hätte Kloten, das zur Römerzeit Claudia genannt wurde, eine ausgesprochen spannende Geschichte.
Vom Fund verjagt worden
Die Teilnehmenden des historischen Rundgangs amüsieren sich mit einem Apfel und selbst gebackenem Zopf bei der ehemaligen Villa Rustica, machen Fotos vom Gestein und stellen sich vor, wie die Römer an genau diesen Stellen gestanden haben könnten. Dieser idyllische Moment scheint den Black-Angus-Rindern jedoch ein Dorn im Auge zu sein. Die Herde stürmt auf die Gruppe zu und verjagt sie von der Weide. Erneut macht der ältere Herr mit seinem Gehstock den Weg frei, woraufhin die Gruppe zügig über den Zaun hüpft. Vom Hang aus begibt sie sich zum Goldenen Tor, das sich nur 200 Meter vom Gutshof entfernt befindet. In dem damaligen Sumpfgebiet, das während des Baus des Flughafens Zürich trockengelegt wurde, profitierten bereits die Römer von einem kleinen Weiher.
Sage und Nutzen des Goldigen Tors
Seinen Namen verdankt das Goldige Tor einer Sage, die besagt, dass ein Hirtenjunge sich an einem schönen Tag an den Weiher legte, als plötzlich eine wunderschöne Jungfrau auftauchte und ihn ins Gewässer zog. Unter Wasser erblickte der Junge ein goldenes Tor, dahinter die bildhübsche Jungfrau. Plötzlich beförderte ein Strudel den Jungen an Land. Durch seinen Aufschrei wurde sein Bauer auf ihn aufmerksam. Der Junge schilderte, was ihm geschehen war, und kehrte in den folgenden Tagen zum Weiher zurück – in der Hoffnung, die Jungfrau wiederzusehen. Doch diese kehrte nie zurück. Heute ist das Goldige Tor naturgeschützt und dient als Zeuge seiner besonderen Entstehung. Denn der Weiher entstand dadurch, dass das Grundwasser aufgrund eines wasserundurchlässigen Hindernisses zum Aufsteigen gezwungen wurde. Zudem wirbelte das Wasser feinen, hellen Sand auf – durchsetzt mit weissen Trümmern von Schneckenschalen –, der bis zum Beginn des letzten Jahrhunderts als Schreibsand verwendet wurde: Sand, der zum schnelleren Trocknen von Tinte eingesetzt wurde. Diesen machten sich bereits die Römer zunutze.
Der Förderverein Hegnerhof
Seit 2009 engagiert sich der Förderverein Hegnerhof für die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung Klotens. Der Verein ermöglicht ein Zusammenleben, gemeinsames Arbeiten, Lernen und Gestalten im Zentrum der Stadt. An der Dorfstrasse 61 und 63 verfügt der Verein über seinen Standort, Arbeits- und Lebensraum – in den Räumlichkeiten werden Anlässe kultureller Art in den Bereichen Kultur, Soziales und Umwelt angeboten. Angesprochen werden sollen alle Interessierten aus Kloten und der Umgebung. Unterstützt wird der Förderverein Hegnerhof dabei von der Stadt Kloten und dem Kanton Zürich.