Säcklein, fertig, los ...
Ich kann mich gut an mein erstes Mal erinnern. War anno dazumal ein noch ungewohntes Tun für mich. Klar, ich hatte es häufig beobachtet – dieses Tun. Von weitem, von nahem. Und dann war es so weit. Auch ich tat es.
Damals begann es mit Braun. Heute bin ich bei Rot gelandet.
Ich beobachte. Warte darauf. Und werde dann aktiv. Nehme das Plastikteil aus meiner Bauchtasche, falte es auf, bereite es vor, führe meine Hand hinein, suche, finde, bücke mich – und umhülle das warme daliegende Teil. Umschliesse es mit der Hand im Sack. Versuche, alles zu erwischen, kehre das Säcklein um, knüpfe es zu.
Damals, ja damals, war das noch etwas Besonderes. Ich musste mich zuerst daran gewöhnen. Mein Hirn war noch nicht auf diese Art Bewegung programmiert. Aber das Hirn ist formbar. Es liebt Wiederholungen. Und irgendwann läuft das Ganze fast automatisch ab. Heute greife ich blind zum Säcklein, falte, stülpe, binde.
Ist das volle Säcklein zugeknöpft, trage ich es entweder ein paar Minuten in meiner freien Hand – oder auch länger, je nach Situation. Und manchmal, ja manchmal, winke ich damit einer entgegenkommenden Person zu. Nicht mit Absicht. Sondern, weil keine andere Hand frei ist. Das ist dann ein sogenannter Kack-Wink.
Wenn ich einen geeigneten Sammelbehälter entdecke, werfe ich das Säcklein meist ziemlich elegant hinein. Manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Schwung. Ein kurzer Bogen durch die Luft, ein leises Plopp. Ich bin geübt. Und wenn’s schön trifft, freue ich mich fast ein wenig.
Einmal ist das Geschäft dann erledigt. Täglich mache ich das – je nachdem, wie häufig ich dafür zuständig bin – drei-, manchmal viermal. Die Kacke-Einsamlete muss sein.
Ich habe einmal recherchiert: In der Schweiz leben rund 550 000 Hunde. Wenn all diese Hunde zweimal täglich ihr Geschäft in der Natur platzieren, kommen wir auf über eine Million Häufchen pro Tag. Das macht rund 400 Millionen Hundesäcklein pro Jahr. Eine beachtliche Menge Material. Eine beachtliche Menge Plastikabfall.
Rundherum stehen Kotsammelboxen in der Natur und vielerorts. Diese werden mehr oder weniger regelmässig geleert – von Mitarbeitenden der Gemeinden oder Städte. Ich danke ihnen dafür. Wirklich.
Für die Landwirte – oder besser gesagt: für die Kühe – sind liegengelassene Hundehaufen mehr als ein Ärgernis. Sie können sogar gesundheitsschädigend sein. Denn wenn die Kuh beim Grasen Hundekot mit aufnimmt, kann sie sich mit dem Parasiten Neospora caninum infizieren. Die Folge: Eine Fehlgeburt ist möglich.
Auch für Spaziergängerinnen und Spaziergänger ist so ein liegengebliebenes Häufchen kein reines Naturerlebnis. Ein falscher Schritt – und das wars. Das stinkt gehörig. Und das mühsame Schaben an der Schuhsohle kennt vermutlich jeder.
Ich gebe es zu: Es ist eine Gewohnheitssache. Man wächst hinein. Das Gehirn stellt sich darauf ein, man macht es irgendwann wie nebenbei. Und ja – ich habe tatsächlich ein schlechtes Gewissen, wenn ich mal keine Säcklein dabeihabe. Wenn zum Beispiel jemand aus der Familie meine Bauchtasche geleert und nicht nachgefüllt hat. Dann kehre ich zurück und hole das Häufchen nachträglich.
Manchmal liegt irgendwo ein einsames Hundesäcklein, vergessen am Wegrand. Ob der Mensch, dem es gehört, nun ein schlechtes Gewissen hat? Ist mir auch schon passiert.
Und übrigens: Das Einsammeln ist nicht nur eine Frage des Anstands – es ist in der Schweiz auch Pflicht. Die ersten kommunalen Hundeverordnungen mit dieser Vorschrift kamen in den 1980er-Jahren. Ab den 1990ern wurde es zur Selbstverständlichkeit – spätestens mit der Einführung der offiziellen Hundekot-Sammel-Boxen. Heute ist es klar geregelt: Wer den Hundekot liegen lässt, kann gebüsst werden – oft mit 100 Franken oder mehr.
Am Anfang ist das Fressen. Dann das Warten. Dann das Tun. Dann der Griff. Dann der Knoten. Dann der Boxen-Wurf. Dann das Weitergehen. Ich gebe es zu: Anfänglich war das Ganze eigenartig, fast ein wenig absurd. Aber heute gehört es dazu. Ich würde es fast vermissen und meinen Hund natürlich sowieso …