Opfifon: Eine Steilvorlage für die Politik
Der repräsentative Bevölkerungsrat der Schweiz hat während Monaten über Gesundheitsförderung und Prävention diskutiert. Sein Bericht zeigt auf, welche Vorschläge bei einer Mehrheit der Bevölkerung Anklang fänden.
Es gibt dabei zwei Unsicherheitsfaktoren. Zum ersten der Einfluss durch die Staatsbürgerschaft: Das Vorhandensein eines Schweizer Passes spielte hier keine Rolle. Die zweite Unbekannte ist, wie sich der Wissensstand der Abstimmenden auf ihre Entscheidung auswirken würde. Denn im Unterschied zu einer Volksabstimmung, wo man auch würfeln oder frei von irgendwelchem Vorwissen «Ja» oder «Nein» auf den Stimmzettel schreiben darf, haben sich diese Ratsmitglieder sehr eingehend mit der Materie beschäftigt, Fachleute aus dem Gesundheitswesen gelöchert und nicht nur mit Gleich-, sondern auch mit Andersgesinnten gesprochen. Sie waren – wenigstens während ihrer Zeit im Rat – nicht direkt beeinflusst von Propaganda und Abstimmungsslogans, die ja oft sehr plakativ sind und bis zur Grenze der Wahrheit verkürzt werden. Und es gab keine Lobbygruppen, die um ihre Stimmen buhlten. Von daher war der Bevölkerungsrat eine ideale Versuchsumgebung, ein Polit-Labor.
«Der Bericht zeigt, welche Vorschläge bei einer Mehrheit Anklang fänden.»
Dennoch sind die Vorschläge, die der Bevölkerungsrat nun gemacht hat, vielsagend: Mit fast 88 Prozent Ja am deutlichsten befürwortet wird die «Stärkung von Gesundheitskompetenzen in allen Lebenslagen». Auf Platz 2 folgt mit 75 Prozent Ja ein «Nationales Gesundheitsgesetz», das die Befugnisse im Gesundheitswesen zumindest teilweise von den Kantonen zum Bund verschieben würde. Offenbar sind die Mitglieder des Bevölkerungsrats bereit, den Föderalismus anzupassen, um so die ständig steigenden Gesundheitskosten sowie die Ungleichheiten in den Griff zu bekommen. Und selbst ein verschärftes Werbeverbot für Nikotin- und Alkoholhaltiges sowie eine «Zuckersteuer» finden bei beachtlichen 61 Prozent der Ratsmitglieder Anklang.
Trotzdem sind Teile der Politik skeptisch gegenüber solchen Vorschlägen. Die Bedenken mancher Parteien mögen vielfältig, unter einigen Gesichtspunkten (Wirtschaft) sogar nachvollziehbar sein. Doch die Ideen wären eine Steilvorlage für erfolgreiche Initiativen, wenn sie im Volk auch nur annähernd dieselben Zustimmungswerte erreichen würden wie im Bevölkerungsrat. Fragt sich nur, wer den Ball annimmt.
Weitere Artikel zum Bevölkerungsrat:
https://www.stadt-anzeiger.ch/region/artikel/wie-man-demokratie-auch-noch-praktizieren-koennte
https://www.stadt-anzeiger.ch/region/artikel/bevoelkerungsrat-2025-zusammensetzung-und-vorschlaege
https://www.stadt-anzeiger.ch/region/artikel/ich-bin-stolz-auf-unsere-arbeit
https://www.stadt-anzeiger.ch/region/artikel/opfifon-eine-steilvorlage-fuer-die-politik