Konflikte als Chance in der Paarbeziehung

Fabienne Feger

Konflikte gehören zu Beziehungen dazu. Insbesondere in Paarbeziehungen besteht eine grosse Nähe und es treffen unterschiedliche Bedürfnisse und Erwartungen aufeinander. Entscheidend ist nicht, ob Paare streiten, sondern wie sie es tun.

Ein konstruktiver Umgang mit Konflikten stärkt die Beziehung, während destruktive Muster langfristig Schaden anrichten können. Konflikte sollten nicht als Bedrohung, sondern als Chance gesehen werden. Sie bieten die Möglichkeit, sich besser kennenzulernen, Bedürfnisse zu klären und gemeinsam zu wachsen. Statt sich gegenseitig als Gegner zu betrachten, ist es hilfreich, Konflikte als gemeinsames Problem zu verstehen, das es zu lösen gilt.

Ein besonders wichtiger Aspekt im Umgang mit Konflikten ist es, störende Verhaltensweisen oder Situationen frühzeitig anzusprechen. Was anfangs nur eine kleine Irritation ist, etwa ein bestimmter Tonfall, eine vergessene Verabredung oder ein Gefühl von Ungleichgewicht, kann sich mit der Zeit zu einem grösseren Problem auswachsen, wenn es unausgesprochen bleibt. Je länger man wartet, desto mehr kann sich der innere Fokus verändern: Es wird nicht nur die ursprüngliche Situation als störend empfunden, sondern das Gesamtbild der Beziehung negativ beeinflusst. Man nimmt zunehmend weitere negative Aspekte wahr, während die positiven in den Hintergrund treten. Was zunächst als einmaliges Verhalten gesehen wurde, wird nun als Persönlichkeitsmerkmal interpretiert. So kann aus «Er hat vergessen, seine Kleider wegzuräumen» ein «Er ist faul» werden. Diese Generalisierung erschwert nicht nur die Kommunikation, sondern auch die emotionale Nähe. Deshalb ist es so wichtig, frühzeitig und offen über das zu sprechen, was einen belastet, bevor sich Frust und Enttäuschung festsetzen. Das soll nicht bedeuten, dass man jedes kleinste Detail gleich aufs Tapet bringen muss, sondern die Themen anspricht, die einem wirklich wichtig sind oder einen belasten.

Spricht man dies dann an, hilft es, auf die Sprache zu achten. In der Hitze des Gefechts rutschen schnell Vorwürfe oder Verallgemeinerungen heraus. Solche Aussagen führen meist zu Abwehr und Gegenangriff beim Gegenüber. Hilfreicher ist es, in Ich-Botschaften zu sprechen, also den Fokus auf die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu legen, ohne den anderen anzugreifen. Auch nonverbale Signale spielen eine grosse Rolle. Ein genervter Blick oder ein spöttischer Tonfall können eine sachliche Aussage entwerten. Umgekehrt können eine offene Körperhaltung, ruhige Stimme und Blickkontakt Vertrauen schaffen und das Gesprächsklima verbessern.

 

«Konflikte in Paarbeziehungen sind unvermeidlich, aber sie stellen auch Chancen dar.»

Fabienne Feger, Paarberaterin und Mediatorin

 

Ein häufiger Auslöser für Eskalationen ist das Gefühl, nicht gehört oder verstanden zu werden. Es ist also wichtig, sich gegenseitig aktiv zuzuhören. Aktives Zuhören bedeutet, dem Partner wirklich Aufmerksamkeit zu schenken – ohne zu unterbrechen, zu bewerten oder sofort Lösungen anzubieten. Es hilft, Rückfragen zu stellen und das ­Gehörte in eigenen Worten zusammenzufassen. So entsteht ein Raum, in dem sich beide sicher fühlen, ihre Sichtweise zu teilen. Dabei ist auch der richtige Zeitpunkt entscheidend. Wenn einer von beiden gestresst, müde oder emotional aufgewühlt ist, kann ein Konfliktgespräch schnell entgleisen. Besser ist es, einen ruhigen Moment zu wählen, in dem beide offen und konzentriert miteinander sprechen können. Wenn es einem während des Konflikts zu viel wird, kann eine kurze Pause helfen, die Situation zu deeskalieren und sich zu sammeln. Unser autonomes Nervensystem kann in Konflikten stark aktiviert werden, der Puls steigt rasant an und wir können kaum mehr klar denken. In diesem Zustand kann man kein konstruktives Konfliktgespräch führen. Ist man daher zu aufgebracht, kann es sinnvoll sein, des Gespräch zu vertagen. Es sollte jedoch nicht zu weit in die Ferne geschoben werden.

Ziel eines Konfliktgesprächs sollte nicht sein, Recht zu haben, sondern eine Lösung zu finden, mit der beide leben können. Das erfordert Kompromissbereitschaft und die Fähigkeit, sich in den anderen hineinzuversetzen. Fragen wie «Was brauchst du, damit es dir besser geht?» oder «Was könnten wir beide tun, um das zu verbessern?» helfen, gemeinsam tragfähige Lösungen zu entwickeln.

Es gibt Konflikte, bei denen verletzte Gefühle zurückbleiben. Hier ist es wichtig, sich gegenseitig um Verzeihung zu bitten und auch selbst vergeben zu können. Anstelle einer vorschnellen Entschuldigung ist es aber wichtig, erst zu verstehen, wie das Gegenüber die Situation erlebt und was sie bei ihm oder ihr ausgelöst hat. Dabei geht es nicht darum, wessen Wahrnehmung richtig oder falsch ist, sondern darum, einander zu erzählen, wie wir uns in diesem Moment gefühlt haben. Oft werden bei einem Konflikt alte Wunden aus unserer Kindheit oder früheren Beziehungen aufgerissen. Wir fühlen uns dann beispielsweise ebenso bewertet wie damals von unserem Vater oder so unzulänglich wie als Schulkind. Vergebung bedeutet nicht, das Verhalten gutzuheissen, sondern loszulassen und der Beziehung eine neue Chance zu geben. Rituale der Versöhnung wie ein Gespräch, eine Umarmung oder ein gemeinsamer Spaziergang können helfen, wieder Nähe herzustellen.

Jeder Mensch bringt eigene Erfahrungen, Werte und Bedürfnisse in eine Beziehung ein. Diese Unterschiede können bereichern, aber auch zu Konflikten führen, wenn sie nicht anerkannt werden. Ein respektvoller Umgang mit Unterschiedlichkeit bedeutet, das Gegenüber nicht ändern zu wollen, sondern ihn oder sie in seiner oder ihrer Eigenart anzunehmen. Das schafft Raum für Individualität und stärkt die Verbindung.

Konflikte in Paarbeziehungen sind unvermeidlich, aber sie stellen auch Chancen dar. Mit Empathie, Kommunikation auf Augenhöhe und dem Willen zur gemeinsamen Lösung tragen sie zur Vertiefung der Beziehung bei. Es lohnt sich, in diese Fähigkeiten zu investieren, für mehr Verständnis, Nähe und eine stabile Partnerschaft. Manche Konflikte lassen sich jedoch nicht allein lösen – sei es, weil sie sich immer wiederholen, sehr emotional aufgeladen sind oder alte Verletzungen im Spiel sind. In solchen Fällen kann eine Paarberatung helfen, festgefahrene Muster zu erkennen und neue Wege im Umgang miteinander zu finden. Es ist ein Zeichen von Stärke, sich Unterstützung zu holen, wenn man sie braucht.

Wenn Sie sich näher mit dem Thema auseinandersetzen wollen, verpassen Sie nicht unsere Buchrezension zum Thema Umgang mit Konflikten in der ­Oktoberausgabe.

Fabienne Feger, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich, Beratungsstelle Wetzikon