Gedankensplitter: Was machst du so?
Müssiggang ist keine Erfindung der Moderne, wo uns Maschinen körperliche und in Zukunft zunehmend auch Denkarbeit abnehmen. Und es hat durchaus einen Nutzen.
Unsere Vorfahren, als sie noch Jäger und Sammler waren, haben nur gearbeitet, wenn sie Nahrung beschaffen mussten oder sonst etwas brauchten. Die meiste Zeit haben sie sich ausgeruht oder soziale Kontakte gepflegt. So berichten die Historiker und Evolutionsbiologen. Für die alten Römer war es bekanntlich unschicklich, körperlich zu arbeiten. Sie hatten dafür ihre Sklaven. Auch noch im Mittelalter galt Arbeit als minderwertige Tätigkeit. Auch mit dem Aufkommen der Industrialisierung blieb das so. Die Arbeiter erkämpften sich mithilfe der Gewerkschaften erst langsam gewisse Verbesserungen und Rechte.
Heute ist unser Verhältnis zur Arbeit ein gutes. Vielleicht sogar ein zu gutes. Wir erwarten von uns und unseren Mitmenschen, dass sie, soweit sie gesund sind, etwas arbeiten. Arbeiten ist praktisch zur Pflicht geworden.
«Die moderne Neurologie hat nämlich herausgefunden, dass gerade unser Gehirn – dann, wenn wir faulenzen – sehr aktiv ist.»
Wenn jemand dieser Pflicht nicht nachkommt, hat er ein schlechtes Gewissen. Und wenn er das nicht hat, dann legt man ihm das als Charakterfehler aus. Es soll Menschen geben, die zusammenzucken, wenn sie beim Faulenzen ertappt werden.
Wer seine Arbeit verliert, befindet sich – weniger materiell, aber psychisch – in einer Notsituation. Er versucht möglichst schnell wieder Arbeit zu finden. Dass Arbeit etwas Wertvolles ist, ist uns allen bewusst. Dabei verkennen wir gern den Wert des Gegenteils.
Wir haben nämlich alle «ein Recht auf Faulheit», meinte der Marxist und Arzt Paul Lafargue. Aber damit ist es nicht getan. Das Nichtstun hat sogar seinen eigenen Wert.
Die moderne Neurologie hat nämlich herausgefunden, dass gerade unser Gehirn – dann, wenn wir faulenzen – sehr aktiv ist: Es verknüpft Erinnerungen und entwirft Zukunftsvisionen. Sehr viele kreative Ideen entstehen gerade, wenn wir uns mit «nichts» beschäftigen. Interessanterweise wusste das schon der Kirchenlehrer Augustinus (354–430), der sagte: «Mein Müssiggang ist eine grosse Beschäftigung (meum otiom magnum habet negotium).»
Wenn mich jetzt jemand fragen würde: «Was machst du so?», und ich antworten würde: «Ich gehe gerade müssig.» – ob er mich verstehen würde?