Gedankensplitter: Scheitern

Heute bin ich bei einem Sudoku gescheitert. Sogar zweimal. Und das genau an derselben Stelle wie beim ersten Mal.

Für Sudoku-Kenner kann ich kurz erklären, wie ich den Fehler bemerkte. In einer senkrechten Reihe fehlte eine Neun. Leider genau dort, wo in der dazugehörenden waagrechten Zeile bereits eine Neun stand. Da war mir ein Fehler unterlaufen. Ich radierte alles aus und fing nochmals an. Es lief wie gewohnt, bis ich plötzlich an der gleichen Stelle vor dem gleichen Problem stand. Ganz kurz überkam mich ein Anflug von Ärger, der sich mit einem anstössigen Schimpfwort Luft machte. Aber dann beschloss ich aufzugeben. Ich war gescheitert. Nur hat mich das jetzt nicht mehr gestört. Eigentlich im Gegenteil, ich war sogar zufrieden mit mir. Ich konnte zu etwas anderem übergehen.

Da muss ich etwas präzisieren. Ich war nicht mit meinem «Scheitern» zufrieden, sondern damit, dass ich es (nach dem verbalen Ausrutscher) so einfach hinnehmen konnte. Ich hätte auch der Versuchung erliegen können, es ein drittes Mal zu probieren. Für einen Moment hatte ich mit diesem Gedanken gespielt: Man gibt doch nicht einfach auf. Ich habe ihn als falschen Ehrgeiz abgetan und beschlossen, das Rätseln zu beenden. Eine Entscheidung, mit der ich mein Scheitern akzeptiert habe. Das hat mich zufrieden gestimmt. Das deshalb, so denke ich, weil ich damit nicht nur etwas beendet, sondern mir die Möglichkeit verschafft habe, etwas Neues anzufangen.

 

«Mir ist dabei aufgegangen, dass Scheitern auch etwas Befreiendes an sich haben kann.»

Friedjung Jüttner, Dr. phil., Psychotherapeut

 

Nun ist mein Scheitern von heute Morgen nicht gerade weltbewegend. Aber mir ist trotzdem dabei aufgegangen, dass Scheitern auch etwas Befreiendes an sich haben kann. Ich weiss nicht, ob es für alle Menschen und alle Situationen gilt. Aber Scheitern gehört offenbar zu unserem Menschsein und sollte uns – wenn es passiert – eigentlich nicht ärgern. Sollte! Es müsste uns auch nicht abhalten, etwas zu tun, bei dem wir mutmasslich scheitern könnten.

Wenn ich an heute Morgen zurückdenke, hätte ich auch ruhig weiterrätseln können, bis ich die richtige Lösung gefunden hätte. Dann sässe ich vielleicht jetzt noch dran. Ich bin froh, habe ich mich anders entschieden. Denn so hatte ich Zeit, diesen Text zu verfassen.