Gedankensplitter: Papstwahlen
Der Tod von Papst Franziskus und die Wahl seines Nachfolgers Leo hat in den Medien eine mir bisher unbekannte Aufmerksamkeit hervorgerufen. Irgendwie hat mich das angesteckt.
Ich habe mir ein Buch über die Papstwahlen gekauft. Es trägt den Titel «Weisser Rauch und falsche Mönche». Der Autor, Stefan von Kempis, wohnt in Rom und arbeitet beim Radio Vatikan. Im Buch berichtet er über die verschiedenen Vorgänge bei den jeweiligen Papstwahlen. Und die haben es manchmal in sich. Es gab schon im Mittelalter das Konklave, aber so richtig funktionierte das nicht. Dass es so geordnet und strukturiert abläuft, wie wir es bei dieser letzten Papstwahl geschildert bekommen haben, war nicht immer so. Ich bin froh, dass das heute so abläuft. Eigentlich ein positives Zeichen, an dem man ablesen kann: Auch die katholische Kirche macht Fortschritte. Hier ein paar Kuriositäten aus heutiger Sicht.
Im Jahr 1268 wählten 20 Kardinäle den neuen Papst. Da sie sich spinnefeind waren, aus familiären (Ghibellinen und Guelfen) und politischen (Franzosen und Italienern) Gründen, dauerte es 1005 Tage, bis sie sich auf einen neuen Papst einigen konnten. Die Wahl fand auch nicht in Rom statt, sondern in Viterbo, weil der vorgängige Papst dort gestorben war.
«Da sich die Kardinäle 1268 spinnefeind waren, dauerte das Konklave 1005 Tage.»
Papst Hadrian VI. war 1522 bei seiner Wahl gar nicht in Rom. Er brauchte sieben Monate, um dort einzutreffen und um sein Amt zu übernehmen. Es war die Zeit, in der Martin Luther von der Wartburg nach Wittenberg zurückkehrte. Hadrian begann mit einer Reform der Kurie, er beschränkte beispielsweise die Privilegien der Kardinäle, aber an die heikle Frage des Ablasshandels wagt er sich nicht.
Beim Konklave 1523 wählten 35 Kardinäle den neuen Papst. Die vorgeschriebene Isolation war eine reine Augenwischerei: Nach zwei Wochen betrat der französische Botschafter den Konklavebereich, um den Eminenzen ins Gewissen zu reden, ein paar Tage später waren es römische Adlige, die dem Dekan des Heiligen Kollegiums zu verstehen gaben, dass die Leute in der Stadt langsam die Geduld verloren. Das nicht zu Unrecht. Die Kardinäle wählten nämlich nur hin und wieder. Also nicht täglich. Sie liessen sich vierzig Tage Zeit, um ihre Aufgabe zu erledigen.
Im Jahr 1534 ereignet sich gewissermassen das Gegenteil. Die Kardinäle waren sich schon vor dem Konklave einig, wer der neue Papst werden sollte. Kaum hatte das Konklave begonnen, fingen sie an, ihren Kandidaten als Papst zu verehren, ohne eine Wahl abzuhalten, so quasi durch das Wirken des Heiligen Geistes. Der so neu gewählte Papst hielt erst mal ein Mittagsschläfchen, ass gemütlich zu Abend, erschien aber am nächsten Morgen als Kardinal gekleidet auf seinem Platz. Um sicherzugehen, dass niemand diese «Wahl des Heiligen Geistes» anfechten konnte, führten die Kardinäle jetzt doch noch eine reguläre Wahl durch. Übrigens: Die in katholischen Kreisen geläufige Ansicht, dass bei der Papstwahl immer der Heilige Geist am Wirken sei, wird von Leuten, die es wissen müssen, nicht unbedingt geteilt. Der spätere Papst Benedikt XVI. bemerkte 1997 mal, es gäbe «zu viele Beispiele für Päpste, die der Heilige Geist offensichtlich nicht gewählt hätte».
Auch wenn die Kardinäle beim Einzug ins Konklave den Heiligen Geist anrufen, ist der offensichtlich nicht gewillt, immer mitzuwirken.