Gedankensplitter: Es wird noch böse enden

Friedjung Jüttner

Ich weiss nicht mehr, in welcher Klasse ich war, aber eine Zeit lang beendeten wir Schüler damals fast jede Unterhaltung mit: «Es wird noch böse enden.» Wir waren keineswegs Schwarzseher, aber es breitete uns Vergnügen, so besorgte und mutlos klingende Bemerkungen zu machen.

Uns war nicht bewusst, dass wir mit dieser, wohl eher für Erwachsene zutreffenden Katastrophenahnung, eigentlich etwas typisch Menschliches zum Ausdruck brachten.

Wenn wir heute die Zeitung aufschlagen oder die Nachrichten im Radio und am Fernsehen mitbekommen, dann sind es hauptsächlich negative Informationen, die uns berichtet werden. Ich habe bis vor kurzem dafür den Medien die Schuld zugeschrieben. Denn in den Redaktionen heisst es einfach: Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten. Bis ich kürzlich folgende Frage eines Redaktors gelesen habe: «Wenn ein Migrant einen Einheimischen erschiesst, dann ist das zu Recht eine Meldung. Wenn aber am gleichen Tag Millionen von Migranten keinen Einheimischen erschiessen, ist das keine Meldung. Warum auch?» Die Medien müssen das berichten, was passiert, nicht, was nicht passiert.

 

«Denn in den Redaktionen heisst es einfach: Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten.»

Friedjung Jüttner, Dr. phil., Psychotherapeut

 

Das Normale, Unspektakuläre interessiert uns eigentlich nicht. Über Katastrophen und Unglücke wollen wir jedoch informiert werden. Falsch, werden Sie jetzt einwenden: «Ich höre genauso gern positive Berichte, solche, die von Fortschritt und menschlichem Edelmut Zeugnis geben.» Gut möglich, nur – und das zeigen Studien – misstrauen wir gern dem Glauben an den Fortschritt und stimmen eher mit ein in den Chor der Katastrophenbefürchter, die schon lange zu wissen glauben, dass es bald mal böse enden wird.

Interessant daran ist, dass es gerade, wenn es uns gut geht, wir besonders kritisch auf die Welt um uns schauen, denn es könnte ja sein, dass es uns bald mal weniger gut geht. Dann können wir mit Recht sagen, ich hab es schon immer gewusst; es wird mal böse enden. Oder noch besser. Der Skeptiker und Philosoph Montaigne (gest. 1592) hat es so gesagt: «Mein Leben war voller Unglücke, von denen die meisten nicht eingetreten sind.»