Gedankensplitter: Best of Switzerland

Friedjung Jüttner

Meiner Tageszeitung lag kürzlich ein 14-seitiger Bund bei, auf dem mit grossen Lettern angekündigt wurde: «Best of Switzerland.» Ich war gespannt, was da wohl angeboten würde, und blätterte um.

Zu meiner Enttäuschung sah mir eine ganze Seite mit vorwiegend billigen Weinangeboten entgegen. Der Billiganbieter dieser Weine hatte wirklich einen guten Werbeplatz erwischt, aber sein Angebot war höchstens mittelmässig. War ich deswegen so enttäuscht? Was hatte ich erwartet? Keinesfalls ein Weinangebot.

Wenn ich mir das jetzt so überlege, dann hätte ich Werbung für Schmuck oder teure Uhren erhofft. Eventuell auch Hinweise auf Berge mit Hotels und Restaurants.

Aber die Flaschen mit den rot markierten Preisangaben haben meinen Blick viel zu lange in Beschlag genommen. Ich habe immer noch etwas Besonderes gesucht.

 

«Werbung, bei der die verbale Verpackung besser ist als der Inhalt, ist eben nicht gut, und schon gar nicht am besten.»

Friedjung Jüttner, Dr. phil., Psychotherapeut

 

Eigentlich hätte ich auf die linke, die Rückseite des Titelblattes, schauen müssen. Auf der erklärt die Redaktion nämlich, was sie mit Best of Switzerland meint: die Vereinigung von «hochmodernen Innovationen und jahrhundertealten Traditionen». Da sei offenbar auch eine «Gesundheitsversorgung mit dem Bewusstsein für globale Verantwortung» miteingeschlossen.

Wenn ich grosszügig bin, dann kann ich das Weinangebot zur Gesundheitsversorgung zählen. Nur muss ich feststellen, dass die meisten Flaschen aus Italien, Spanien und Frankreich kommen. Nur zwei Angebote sind aus der Schweiz. Was soll’s. Ich kann alle angepriesenen Weine schliesslich in der Schweiz kaufen.

Beim Weiterblättern erfahre ich dann, dass Cashewnüsse ohne Umwege in die Schweiz gelangen, dass Fasten gesund ist, dass Wanderstöcke die Kniegelenke schonen und dass Nicolas Hojac mit achtzehn Jahren das erste Mal die Eigernordwand durchstiegen hat. Ist das «Best of Switzerland»? Was soll ich damit anfangen? Allerdings taucht mit der Eigernordwand endlich einer der von mir erwarteten Berge auf. Und auch der Nicolas Hojac ist sicher einer der besten Extrembergsteiger der Schweiz. Ich habe trotzdem nicht vor, ihm nachzueifern. Gelangweilt höre ich auf, weiterzublättern. Vielleicht verpasse ich jetzt Hinweise auf «hochmoderne Innovationen und jahrhundertalte Traditionen». Aber sie interessieren mich nicht mehr.

Dabei sollte gute Werbung mein Interesse wecken. Werbung, bei der die verbale Verpackung besser ist als der Inhalt, ist eben nicht gut, und schon gar nicht am besten. Ihr fehlt das Verführerische. Eine realistische Bescheidenheit wäre da wohl wirksamer. Oder anders gesagt: Es ist vielleicht besser, nicht vom Besten zu reden.