Wo Sporttalente wachsen
In einer neuen Sporttalentklasse feilen junge Athletinnen und Athleten aus der Region wie die Eishockeyspieler Neville Marsella und Nino Gisler an grossen Träumen – in einem Schulmodell, das Leistungssport und Lernen vereint.
Es ist noch früh am Morgen im Klotener Schluefweg. In der neuen Holzeishalle gleitet Neville Marsella über die kleinen NHL-Masse der Eisfläche, zieht weite Kurven, beschleunigt, stoppt, dreht ab.
Es ist erst kurz nach sechs, draussen dämmert der Tag, drinnen herrscht schon Intensität. Wenig später wird Marsella, 14, wieder Schüler sein. Seit Spätsommer besucht er die neue Sporttalentklasse Kloten – ein Modell, das jungen Athleten Zeit fürs Training verschafft, ohne dass die Schule auf der Strecke bleibt.
Ein Provisorium neben der Schulanlage Spitz, drei Lehrpersonen, aktuell 15 Jugendliche zwischen 13 und 14 Jahren. Platz hätte es für 24, acht pro Jahrgang, alters- und niveaugemischt.
Den Sport atmen lassen
Eliane Grob, eine der drei Lehrkräfte und ehemalige Handballerin, erzählt, während sie durch den hellen Klassenzimmerraum geht: «Sie haben maximal 25 Lektionen und damit weniger Schule. Frühestens um 8.20 Uhr ist Schulbeginn und um 15.30 Uhr Schulende. Von 9 Uhr bis 13 Uhr haben wir Input-Lektionen.»
Die Schüler haben einen Mittagstisch (15 Franken) oder bringen eigenes Essen mit. Vieles ist flexibel gehalten: Englisch-Wochenplan, Französischsequenzen, Aufgaben in Geschichte oder Mathe – alles abgestimmt auf den Lehrplan 21. Und alles digital verfügbar, damit Trainingslager oder andere Absenzen nicht zu Lernlücken führen.
Viele Sportarten, eine Vision
Ein Lernatelier steht jederzeit offen, dazu ein «Ufzgi-Club» mit sieben Lektionen pro Woche. Wer konzentriert arbeiten will, findet stille Plätze im Klassenzimmer oder im Gruppenraum. Die Urlaubsregelung ist «wohlwollend», wie die Lehrkräfte betonen. Die Gemeinden übernehmen das Schulgeld, sofern der Wohnsitz im Kanton Zürich liegt.
In der Klasse sitzen Eiskunstläuferinnen, Schwimmer, Karatekämpfer, Fussballerinnen, Unihockeyaner, Tennisspieler – und einige Eishockeytalente. Eine Eiskunstläuferin kommt allein auf 17 Trainingsstunden pro Woche. Und natürlich ist der EHC Kloten mehrfach vertreten, unter ihnen Nino Gisler (13), Verteidiger U14, und Neville Marsella (14), Flügelstürmer U16.
Der Traum von der NHL
Unlängst sass Marsella im TD Garden und schaute seinem Lieblingsteam, den Boston Bruins, zu. NHL-Luft. Eindrücke, die bei ihm haften blieben. Sein Idol? Connor Bedard von den Chicago Blackhawks – gerade einmal 20 und bereits Superstar. Aber Boston ist für Marsella dennoch die Herzensmannschaft.
Seine Eindrücke von der besten Liga der Welt: «Es ist viel spannender zum Zuschauen, das Tempo ist höher.» Er war beim Training und bei einem Spiel der Bruins, später auch bei einem der New Jersey Devils. «Die Shows vor dem Spiel waren schon beeindruckend. Und im Spiel selbst ging alles viel schneller.» Tempo, Körpersprache, Übersicht imponierten ihm. «Ich sah, dass auch im Training die Intensität enorm war. Es gab keinen einzigen Spieler, der sich auch nur die kleinste Nachlässigkeit leistete. Alle gaben 100 Prozent.» Ein Materialwart der Bruins nahm sich sogar Zeit für ein Gespräch.
«Mir gefällt an der Sportschule die Nähe zum Stadion, das nur einen Steinwurf entfernt ist. Durch den kurzen Fussmarsch verliere ich keine Zeit.»
Zurück in der Schweiz findet Marsella, dass auch bei Kloten vieles in die richtige Richtung gehe, der Nachwuchs gefördert werde: «Und man kann von den Coaches viel lernen, wenn man die Ausführung umzusetzen vermag. Man muss einfach immer Gas geben.»
Mittwochs steht Marsella zusätzlich mit der Zürcher Kantonsauswahl auf dem Eis – zusammen mit Talenten aus Zürich, Winterthur und Bülach. Er fährt Schlittschuh, seit er zwei Jahre alt ist. Mit drei trat er der Hockeyschule der Flughafenstädter bei. Seine Ziele: U-Nationalteam, dann die erste Mannschaft, vielleicht Nordamerika oder Schweden – und irgendwann die NHL.
Marsella spielt als linker Flügel und wechselte erst vor kurzem aus der regulären Volksschule in die Talentklasse. Der Unterschied? Abends um 21.30 Uhr erst vom Training heimkommen – und dann noch Hausaufgaben – das ging auf Dauer nicht mehr. «Hier in der Sporttalentklasse kann ich direkt im Schulatelier die Aufgaben sofort erledigen und kann mich danach aufs Hockey konzentrieren.» Die Matura sei aktuell nicht sein Ziel, eher die United Sport School Zürich ab 16.
Auf kleinem Eisfeld gross träumen
Kürzlich bestritt Marsella beispielsweise gleich zwei Meisterschaftsspiele am selben Wochenende, im Top- sowie im Elit-Team der U16. Sein Cheftrainer ist Yannic Celio. Dessen Assistent: Steve Kellenberger – Captain der ersten Mannschaft des EHC Kloten. Zwischen den Familien Marsella und Kellenberger besteht seit langem Freundschaft. «Unsere Familien kennen sich schon lange und wir waren auch schon zusammen in den Ferien.» Mit Kellenbergers Sohn Liam ist Neville in derselben Mannschaft – und eng befreundet. Liam besucht allerdings die Sportschule in Winterthur.
Gisler – Verteidiger mit klarer Linie
Auch Nino Gisler entdeckt früh das Eis. «Ich ging ‹chneblen›, und das gefiel mir.» Er war drei, sein Vater spielte einst Nationalliga-A-Unihockey bei den Kloten Jets. Gisler spielt seit einigen Jahren fix in Abwehr. «In der U11 begann ich als Verteidiger, und das gefiel mir. Seither spiele ich diese Positionen. Mir gefällt der Teamerfolg.» Was ihm an der Sportschule besonders gefällt: die Nähe zum Stadion, das nur einen Steinwurf entfernt ist. Durch den kurzen Fussmarsch verliere man keine Zeit.
Und in der Schule gibt es oft auch Austausch mit den anderen Sportarten. Da wird auch hitzig debattiert, welcher Sport nun mehr Wertigkeit haben oder anspruchsvoller sein soll: «Für mich natürlich Eishockey, weil es ein schneller Sport ist und auch mit Körperkontakt.»
«Hier in der Sporttalentklasse kann ich direkt im Schulatelier die Aufgaben sofort erledigen und kann mich danach aufs Hockey konzentrieren.»
Im Team-Training dreht sich derzeit vieles um die Angriffsauslösung: «Wir haben aktuell drei Auslösungen, an denen wir intensiv arbeiten.» Sein grosses Idol ist NHL-Superstar Roman Josi. Beim EHC Kloten bewundert er Verteidiger Bernd Wolf.
«Die Angriffsauslösung, sein Körperspiel und das Halten der blauen Linie», gefallen ihm besonders. Selbst umsetzen? «Ja, aber es klappt nicht immer.» Gislers Stärken sind das Schlittschuhlaufen und die Spielauslösung. Verbessern will er sein Stickhandling.
Kein Nacharbeiten mehr
In der Meisterschaft rangiert sein Team derzeit hinten. «Wir müssen mehr verteidigen, sollten weniger Tore kassieren.» Zum Fanionteam des EHC Kloten meint er, «dass sie zwar gut spielen können, aber es fehlt die Konsequenz über ein ganzes Spiel betrachtet». An der Talentklasse schätzt er, «dass ich einen fixen persönlichen Platz habe, die Sachen nicht die ganze Zeit mitschleppen muss und dass ich nicht wie in der alten Schule im Nachhinein bei Absenzen nacharbeiten muss, sondern sofort erledigen kann».
Später möchte er eine KV-Lehre absolvieren. Mit einer Swiss-Olympic-Talentkarte wären da auch Dispensen möglich. Dafür müsste er den Sprung ins U16-Nationalteam schaffen, der jüngsten nationalen Auswahl. Aktuell spielt er in einer Regionalauswahl – nationale Stufen gibt es in diesem Alter noch nicht. Als weiteren Berufswunsch nennt Nino Gisler zudem Fachmann Betreuung (FaBe).
Aufnahmekriterien in die Sporttalentklasse Kloten
- Mindestens 10 Stunden Training pro Woche
- Bewerbung bis 15. Januar 2026 möglich
- Vollständiges Bewerbungsdossier erforderlich
- Potenzialbeurteilung durch Coaches, Auswahltrainer und Verbände
Sportschulen im Kanton gibt es in Zürich, Winterthur, Uster und Wädenswil.