Der Mann an der Seite der weltbekannten Heidi-Schöpferin

Dominique Rais

Er war Rechtsanwalt, Redakteur und mit der Schriftstellerin und Heidi-Schöpferin Johanna Spyri verheiratet: Zürichs einstigerStadtschreiber Johann Bernhard Spyri (1821–1884). Vor 140 Jahren ist er nach einem familiären Schicksalsschlag kurz vor Weihnachten gestorben.

Einst war er der Stadtschreiber vonZürich: der Rechtsanwalt und Redakteur Johann Bernhard Spyri (1821–1884). Auf­gewachsen als Sohn des Färbermeisters Johann Bernhard Spyri (1784–1851) und dessen Frau Anna Katharina Lingenbohl (1791–1824) zeigte sich schon in jungen Jahren sein Talent und seine Gesinnung, die für Recht und Gerechtigkeit glühten. Entsprechend entschied sich Spyri, an der Universität Zürich Rechtswissenschaften zu studieren. Als Rechtsanwalt wurde er zum «Verteidiger der Bedrängten und Armen», bevor er dann als Richter am Kassationsgericht, dem obersten kantonalen Gerichtshof, amtete.

Nebst seiner juristischen Tätigkeitarbeitete Spyri zudem auch als Redakteur bei der «Eidgenössischen Zeitung», dieer ab 1848 leitete. In dieser Zeit lernteer auch den deutschen KomponistenRichard Wagner (1813–1883) kennen,der von 1849 bis 1858 in Zürich lebte. Als enger Freund und Rezensent war Spyri nicht unbeteiligt an Wagners Erfolg als Dirigent.

Hochzeit mit der Schwester seines Jugendfreundes

Schon von Jugendtagen an pflegte Spyri eine Freundschaft mit Theodor Diethelm Heusser (1822–1893), dem ältesten Bruder von Johanna Louise Heusser (1827–1901), dessen Schwager er werden sollte. So kam es, dass Spyri und Johanna Heusser sich 1851 verlobten und am 9. September 1852 schliesslich in der Kirche Wollishofenheirateten.

Zusammen mit seiner Frau, derspäteren Heidi-Buchautorin, lebte Spyri bis 1855 im «Kleinen Baumwollenhof»an der Stadelhoferstrasse 22 in derZürcher Altstadt. Mit der Geburt von Sohn Bernhard Diethelm (1855–1884) zieht die Familie an den Hirschengraben 10 ins Haus «Zum liegenden Hirschli».

Während Spyri durch seine Arbeit viel beschäftigt war, hatte seine Frau mit ihrer dem weit verbreiteten Zeitgeist entsprechenden Rolle als Hüterin von Heim und Herd zunehmend Mühe und hatte in den Folgejahren nicht zuletzt auch mit tiefen Depressionen zu kämpfen. «Jetzt isst man gar nichts mehr bei uns, heut am Mittagstisch las mein Mann so stramm seineZeitung, dass er das Essen vollständig vergass, und ich hatte von Anfang an schon genug», klagte Johanna Spyri einst über das eheliche Zusammenleben.

Vom Rechtsanwalt zum Zürcher Stadtschreiber

Obgleich die Ehe nicht wirklich glücklich war, zieht die Familie 1858 abermals um, um im «Bremerhaus» am Hirschen­graben 6 ihr erstes Eigenheim zu be­ziehen. Kurz darauf nimmt Spyri seine neue Tätigkeit im Dienst der Stadt Zürich auf, wo er in den darauffolgenden neunJahren als Rechtskonsulent bei der Vormundschaftsbehörde – damals nochWaisenamt genannt – arbeitet.

1868 wird Spyri schliesslich zum Stadtschreiber von Zürich ernannt. Damit steht für die Familie ein erneuter Umzug an. Fortan lebt das Ehepaar und sein Sohn in der Amtswohnung des Stadtschreibers im alten Stadthaus am Kratzplatz in un­mittelbarer Nähe zum Zürichsee.

Spyris neue Stellung vereinnahmte ihn mehr denn je. Das bekamen auch Frau und Kind zu spüren. Vor allem sein heranwachsender Sohn hatte mit der ständigen Abwesenheit seines Vaters sichtlich zu kämpfen. So soll Bernhard Diethelm einst zu ihm gesagt haben:«Vater, du bist in der Tat mehr ein Vater der Stadt als ein Vater der Familie.» Spyri liess dies jedoch unbeirrt. Er stürzte sich weiter in seine Arbeit und  wirkte darüber hinaus auf politischer Ebene auch als Kantonsrat.

1884 ereilt das Ehepaar Spyri einschwerer Schicksalsschlag, als SohnBernhard Diethelm mit nur 28 Jahren an Tuberkulose stirbt. Der Verlust ihreseinzigen Kindes macht der Familie zu schaffen. Nur wenige Monate später, am 19. Dezember 1884, stirbt Spyri im Alter von 63 Jahren.

An seiner Beerdigung im ZürcherFraumünster drei Tage später blicktder damalige Zürcher Stadtpräsident Melchior Römer (1831–1895) bei seiner Ansprache vor den Trauergästen auf Spyris Leben zurück und würdigt dabei seinberufliches Wirken während seiner 25-jährigen Tätigkeit im Dienste der Stadt. «Von seinem organisatorischen Talente zeugt unter anderem die Einrichtung und Einführung des Zivilstandswesens in unserer Vaterstadt», so Römer. Darüber hinaus hat Spyris Frau mit der im Jahr 1885 veröffentlichten Erzählung «Aus dem Leben eines Advo­katen» ihrem Mann ein Denkmal gesetzt.

Zeitreise: eine historische Serie

Die historische Serie «Zeitreise» taucht ein in Zürichs Vergangenheit und greift die Geschichten von Menschen undgeschichtsträchtigen Ereignissen längst vergangener Tage auf.

Weitere Artikel aus der historischen Serie finden Sie auf Zürich24 im Dossier «Zeitreise».

Gwunderbrunnen

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