Stadt Zürich kauft das Ruag-Tafelsilber
Die Verkäuferin der Gewerbefläche an der Opfiker Stadtgrenze ist Ruag International. Es ist das Gebiet der ehemaligen Oerlikon-Contraves, die seit 2022 «Beyond Gravity» heisst. Der Verkauf an die Stadt Zürich für 140 Millionen ist der Anfang vom Ende der Zürcher Weltraumtechnologie.
«Ein grosses Gewerbeareal in Zürich-Seebach kommt in städtisches Eigentum», informierte die Stadt Zürich im Dezember die Öffentlichkeit. Der Kaufpreis: beachtliche 140 Millionen Franken. Doch aus rechtlichen Gründen wollte die Stadt bisher nicht sagen, um welches Areal es sich handelt.
Inzwischen hat die Zürcher Immobilienabteilung auf Nachfrage bekanntgegeben, um welche Parzellen es sich handelt: Stelzenstrasse 29, 33, 39, 43, 47 und 53 sowie Schaffhauserstrasse 568 und 580. Weitere Angaben wollte man jedoch nicht machen. «Die Verkäuferschaften erworbener Grundstücke geben wir aus Gründen der Vertraulichkeit nicht bekannt.» Über die Mitbieter wisse man nichts. «Die Makler geben darüber in aller Regel keine Auskunft», hiess es weiter.
Und letzte Frage: Würde es für Wohnüberbauungen eine Umzonung brauchen? «Ein beträchtlicher Teil des Areals befindet sich in der Wohnzone. Dafür braucht es natürlich keine Umzonung. Eine Umzonung oder eine Wohnüberbauung stehen bis auf weiteres ohnehin nicht zur Debatte. Die Verkäuferschaft mietet das Areal gesamthaft bis mindestens 2030 zurück», so die zurückhaltende Antwort der Stadt.
Also bedeutet dies, dass das Gelände der Ruag gehörte. Dieser staatlich kontrollierte und aus den Produktionsbetrieben der Schweizer Armee hervorgegangene Konzern betreibt hier den Firmenzweig Beyond Gravity, welcher wiederum zur Ruag International gehört. Früher gehörte die Firma Oerlikon-Contraves, welche die Überbauung in den 1960er-Jahren erstellte.
Für die Stadt bedeutet der Kauf des rund 35 000 Quadratmeter grossen Areals, das grösstenteils in der Industrie- und Gewerbezone liegt (9900 Quadratmeter befinden sich in der Wohnzone), «gute langfristige Perspektiven für das Gewerbe». Man habe in einem zweistufigen Bieterverfahren den Vorzug erhalten. Mit dem Erwerb nehme die Stadt ihre Verantwortung als wichtige Anbieterin von Gewerbeflächen wahr. «Das Quartier Seebach wird als Industrie- und Gewerbestandort gestärkt», ist die Stadt überzeugt.
Bauten aus den 1960er-Jahren
Die meisten Bauten auf dem Areal stammten aus den 1960er-Jahren und seien in durchschnittlichem bis gutem Zustand. Heute nutze die Eigentümerschaft das Grundstück als Betriebsstandort, einige Gebäude seien an Dritte vermietet. «An den derzeitigen Gewerbe- und Büronutzungen ändert sich vorderhand nichts», heisst es in einer Medienmitteilung vom 6. Dezember 2023. Die Akquisition folge dem Auftrag des Gemeinderats zu einer aktiven Erwerbstätigkeit und leiste langfristig einen Beitrag zum städtischen Ziel, den gemeinnützigen Teil des Mietwohnungsbestandes bis 2050 auf einen Drittel zu heben (Drittelsziel), so die Stadt in jener Mitteilung.
Hohe Maklergebühren
2021 hatte die Stadt Zürich Schlagzeilen gemacht, weil man für die ebenfalls stattliche Summe von 31 Millionen Franken das ehemalige Meteo-Schweiz-Gebäude im Quartier Fluntern beim Zoo erworben hatte. Diese 140 Millionen für das Gelände der ebenfalls staatsnahen Ruag sind nun nochmals eine Preisklasse höher. Laut der NZZ bekommen Makler in der Regel 0,5 bis 5 Prozent des Verkaufspreises. Das macht bis zu 7 Millionen Franken Maklerprämie.
Dass das Immobiliengeschäft in Zürich hart umkämpft ist, zeigt ein weiteres Beispiel: Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft verkaufte 2019 ein Areal in Seebach an die Swiss Life im Bieterverfahren, damals hatte die Stadt noch das Nachsehen. Der Verkauf an den Meistbietenden sorgte für einige Irritation.
300 Mitarbeitende arbeiten neu im «Circle»
Auf Anfrage erklärt Mediensprecher Clemens Gähwiler der Beyond Gravity Services AG die Umstände für den Verkauf des 35 000 Quadratmeter grossen Grundstücks an die Stadt Zürich. Dieser Verkauf sei «ein weiterer Teil des Privatisierungsprozesses. Beyond Gravity soll als Unternehmen gemäss den strategischen Zielen des Bundesrats bis spätestens 2025 verkauft werden.» Für Auslagerungen der Produktion etwa nach Portugal (IT) oder China (Satellitentechnik) gebe es keine Pläne. «Zukünftige Entscheidungen sind abhängig vom neuen Eigentümer», so Gähwiler. Auf Anfrage bestätigt er zudem, dass eben eine Auslagerung an den Flughafen stattgefunden habe. «Der Standort im ‹The Circle› wurde im August 2023 bezogen. Er bietet moderne Hybrid-Arbeitsplätze für rund 300 Ingenieure/Ingenieurinnen und Personen aus den Supportfunktionen und erleichtert eine agile, moderne Zusammenarbeit.» Gesamthaft arbeiten an beiden Standorten aktuell (noch) rund 500 Mitarbeitende.
Die Ruag, zu der Beyond Gravity gehört, kaufte die damalige Oerlikon Space im Jahr 2009. In Oerlikon wurden seit den 1970er-Jahren Nutzlastverkleidungen, etwa für die Ariane-Raketen, hergestellt, später auch hochkomplexe Satellitenteile. (ls.)