Ärger über Hochhaus «Elly»

Roger Suter

Die Versicherung Swiss Life plant am Boulevard Lilienthal ein Hochhaus mit 17 Stockwerken.Warum das möglich ist und was Zürich und der Flughafen damit zu tun haben.

Derzeit sind noch zwei Grundstücke im Glattpark unbebaut. Auf demjenigen zwischen dem Hotel Kameha Grand und dem Boulevard Lilienthal, wo vor einigen Wochen noch Holzkisten mit Erde und Gartenpflanzen standen, stecken inzwischen himmelhohe Stangen, welche bereits das Volumen des geplanten Gebäudes erahnen lassen. Das zweite ist als «Glattpark-Brache» bekannt und liegt in der Südwestecke des Quartiers, gleichsam am Eingang zwischen Boulevard ­Lilienthal und Thurgauerstrasse. Hier plant der Versicherer Swiss Life den Gebäudekomplex «Elly» zum Wohnen, Einkaufen und Arbeiten.

Zu reden gibt die Höhe des Gebäudes: 17 Stockwerke hoch und direkt am Boulevard Lilienthal gelegen, wo die Gebäude westlich des Boulevards gemäss den Sonderbauvorschriften höchstens 7 Vollgeschosse umfassen und 25 Meter hoch sein dürfen. Setzt sich da Swiss Life über geltende Bauvorschriften hinweg? Wurden die früheren Bauherrschaften über den Tisch gezogen, wie manche im Quartier vermuten?

Schon seit Beginn möglich

Tatsächlich sieht der Zonenplan Glattpark für diesen Teil des Quartiers einen separaten «Mischbereich Ma» vor, für den grundsätzlich die oben genannten Maxima gelten, ein Geschoss  mehr als westlich des Boulevards und gleich viele wie an der lärmigen Thurgauerstrasse im «Mischbereich Mb». Das kleine a macht aber einen grossen Unterschied: In dieser Ecke ist – als einziger Ort im Glattpark – eine Hochhausbebauung möglich.

Das sei keine nachträgliche Ausnahme, heisst es auf Anfrage bei der Abteilung Bau und Infrastruktur. Der entsprechende Artikel der Sondervorschriften gelte schon seit der Revision der Bau- und Zonenordnung (BZO) von 2011. «In Opfikon sind Hochhäuser aufgrund des Schutzzonenplans des Flughafens nur an wenigen Standorten möglich», führt Abteilungsleiterin Patricia Meier aus. «Im Rahmen der Revision der BZO 2011 wurde geprüft, an welchen Orten Hochhäuser übergeordnet zulässig sind und städtebaulich sinnvoll erscheinen.» Und hier, sozusagen am Eingang zum Glattpark, war dies der Fall.

Möglicherweise hat dies zur Attraktivität des Grundstücks beigetragen, als es die Vorbesitzerin, die Stadt Zürich, 2011 mit Swiss Life gegen ein anderes in Seebach getauscht hat, um dort ein Schulhaus zu bauen. Doch die Interessen einzelner Grundeigentümer hätten keinen Einfluss auf diese Planung gehabt, heisst es bei Bau und Infrastruktur weiter. «Grundlage dafür waren die geltenden Vorschriften und die langfristige Entwicklung der Stadt Opfikon. Übergeordnet regelt der regionale Richtplan die Eignungsgebiete für Hochhäuser.»

262 Wohnungen und ein Park

Auf der Website www.elly-glattpark.ch ist das Projekt, das aus einem Wettbewerb als Sieger hervorging, bereits zu sehen. Es zeigt besagtes Hochhaus in der nordöstlichen Ecke des Grundstücks (wo heute der «Zauberwald» steht) und drei weitere sieben- oder achtstöckige Gebäude im östlichen Teil, die dazwischen einen Hof bilden. In den Erdgeschossen sind rund 1650 Quadratmeter Gewerbeflächen vorgesehen, darüber 262 Wohnungen von eineinhalb bis viereinhalb Zimmern.

Direkt an der Thurgauerstrasse hingegen, wo sich die Tramhaltestelle Glattpark befindet, ist ein kleiner Park geplant – während alle anderen Gebäude auf dieser Seite bewusst keine lärmempfindlichen Wohnungen enthalten dürfen. «Das Grundstück liegt am Ortseingang Opfikon und grenzt an die Stadt Zürich», heisst es bei der Stadt auf die Frage, warum von diesem Lärmschutzkonzept abgewichen wird. Die Strassen und die Haltestellen im Bereich Glattpark bildeten einen sichtbaren Übergang zwischen den beiden Städten. «Bereits seit längerem besteht der Wunsch nach einer qualitätsvollen Platzgestaltung. Das Siegerprojekt nimmt diesen Gedanken auf und ordnet die Gebäude zurückversetzt an.» Dadurch entstehe Raum mit Aufenthaltsqualität. Das Projekt entspreche den geltenden Nutzungsvorgaben. Die maximal zulässigen Kennwerte – etwa die maximale Ausnützungsziffer von 253 Prozent – würden eingehalten, liessen aber wie bei jedem Bauvorhaben innerhalb dieses Rahmens einen gewissen Spielraum zu. Dieser werde jedoch durch weitere Anforderungen präzise begrenzt, etwa die Einhaltung der Lärmgrenzwerte für Wohn- und Schlafräume – auch im weiter von der Thurgauerstrasse entfernten Teil.

Baugesuch in der Vorprüfung

Derzeit befindet sich das Baugesuch für «Elly» in der Vorprüfung. Wenn alle notwendigen Unterlagen den Vorgaben entsprechen, kann das Baugesuch publiziert werden. Der letztmögliche Termin in diesem Jahr ist der 4. Dezember. Sind aber Aktenergänzungen oder Überarbeitungen erforderlich, verzögert sich die Ausschreibung bis ins neue Jahr.

Danach geht das ordentliche Verfahren weiter: Bei der Vorprüfung werden nur die wichtigsten nach Bau- und Zonenordnung geltenden Vorschriften geprüft; die Detailprüfung erfolgt anschliessend. Deshalb sei es auch nach der Ausschreibung immer noch möglich, dass ein Projekt nicht allen Vorgaben entspricht und eine Änderung erforderlich wird, erläutert das Bauamt. Und erst dann erfolgt eine Baubewilligung, gegen die ein Rekurs möglich ist – sofern während der Ausschreibungsfrist rechtzeitig ein Begehren gestellt wurde.