Fernwärme-Vertrag für Airport City platzt
Seit 2019 plant eine Firma aus dem Baselbiet, die Abwärme im Industriegebiet zu nutzen. Energie Opfikon dauert das zu lange, es hat die Zusammenarbeit gekündigt – mit ungewissen Folgen.
Die Idee ist so naheliegend wie bestechend: Mit der Wärme, welche die riesigen Rechenzentren im Glattbrugger Cher und im Rümlanger Bäuler übers Dach «entsorgen» müssen, liessen sich etliche andere Gebäude klimafreundlich heizen. Dies ist die Absicht hinter dem Wärme- und Kälteverbund Airport City, der sich von der Industriestrasse zwischen der Schaffhauser- und der Birchstrasse bis zum Balsberg erstrecken soll.
Zu diesem Zweck arbeitete die Energie Opfikon AG (EO), vollständig im Besitz der Stadt, aber noch ohne Erfahrung auf diesem Gebiet mit der Genossenschaft Elektra Baselland (EBL) zusammen, die schweizweit gut 50 Wärmeverbunde betreibt. Das Konzessionsgesuch, welches die Firma aus dem Baselbiet am 12. Juni 2025 eingereicht hat, habe jedoch «die Mindestanforderungen des Stadtrats nicht erfüllt», steht in dessen Beschluss vom 19. August– und war deshalb am 8. Juli abgelehnt worden.
Und nicht nur das: Wie der «Stadt-Anzeiger» in Erfahrung brachte, hat Energie Opfikon auch den Zusammenarbeitsvertrag mit EBL vergangene Woche gekündigt. Wie es weitergeht, darüber wird in den nächsten Wochen informiert.
Markt oder Versorgungspflicht?
Was war geschehen? 2024 hat die Stadt eine revidierte Verordnung über die Energie- und Wasserversorgung (EuWVV) beschlossen. Sie legt fest, dass eine beauftragte Versorgerin neben Strom und Wasser «in besonders geeigneten Gebieten» auch Wärme und Kälte anbietet, ja sogar anbieten muss. Als geeignet erachtet Opfikon – mit Ausnahme der Gebiete Grossacker und Bubenholz mit vielen Einfamilienhäusern sowie des nördlichen Dorfs – das ganze Stadtgebiet.
Im Februar dieses Jahres hat der Stadtrat der Energie Opfikon AG eine entsprechende Konzession für einen Wärmeverbund im Glattpark und in Glattbrugg erteilt – und hat die gleichen Bedingungen auch für den geplanten Energieverbund Airport City der EBL verlangt. Konkret steht im «Konzessionsvertrag Wärme Kälte Glattpark und Zentrum»: «Die Energie Opfikon AG sowie Dritte, mit denen sie zusammenarbeitet, sind gegenüber den Kunden für die Tätigkeit im Rahmen dieses Konzessionsvertrags an die Grundrechte gebunden, insbesondere an das Gleichbehandlungsgebot und das Willkürverbot.» In ihrem Konzessionsgesuch hatte die EBL jedoch eigene (und für die Bezüger teurere) Bedingungen für die Airport City festgehalten. «Mit der EuWVV ist die Wärmeversorgung ein öffentlicher Auftrag der Stadt geworden, dessen betriebswirtschaftliches Modell nicht der Gewinnoptimierung dienen soll», so der Opfiker Bauvorstand Bruno Maurer. Ausserdem wolle der Stadtrat vorwärtsmachen mit der Fernwärme. Immerhin sei man in der Airport City schon über sechs Jahre am Planen, und die Grundeigentümer möchten Gewissheit haben.
Geänderte Regeln und Prämissen
Der Stadtrat erwartet nun ausdrücklich von der Energie Opfikon AG, «zeitnah die nächsten Schritte auf dem Weg hin zur Realisierung eines Wärme- und Kälteverbunds in der Airport City einzuleiten», einen Terminplan vorzulegen und eine Energiezentrale für die ganze Stadt zu planen. «Daran sind wir jetzt», sagt Janez Žekar, Geschäftsführer der Energie Opfikon AG. «Wir wollen vorwärtsmachen.»
Die Situation in Sachen Airport City sei nicht einfach, betont Tobias Andrist, der die Vorwürfe nicht auf sich und seiner Firma sitzen lassen will. Der Geschäftsführer der EBL führt gegenüber dem «Stadt-Anzeiger» die Komplexität des Projektes aus, welche zur langen Planungsphase geführt habe: So sei man beim Abschluss des Zusammenarbeitsvertrags mit Energie Opfikon im Jahr 2019 noch davon ausgegangen, dass die Kläranlage AKO die Wärme liefere und die Heizzentrale dort erstellt werde. Beides ist inzwischen Makulatur: Die AKO braucht die Wärme selber zum Heizen der Faultürme, und der Platz für die Heizzentrale zur Glatt hin wird für die Gestaltung des Uferwegs «Fil bleu» benötigt und soll deshalb dem Kanton verkauft werden. Im Laufe der Projektarbeit ist die EBL aber sowieso auf einen viel grösseren und beständigeren Lieferanten gestossen: auf die inzwischen drei Rechenzentren der damaligen Interxion (heute Digital Realty): «Deren höhere Temperatur ist für unsere Zwecke besser geeignet», so Tobias Andrist. Mit der amerikanischen Betreiberin von 300 Rechenzentren weltweit habe die EBL nach langen Verhandlungen inzwischen einen für Opfikon «extrem attraktiven Vertrag» für die Abnahme der überschüssigen Wärme abgeschlossen. So hätten sich auch neue – tiefere – Energiepreise ergeben, mit denen man ein branchenübliches Preismodell erstellt und erfolgreich mehr als 46 Kunden mit einer Abnahmeleistung von mehr als 8,5 Megawatt akquiriert habe (was im Übrigen wegen der Covidpandemie in der stark betroffenen Flughafenregion während eineinhalb Jahren nicht möglich gewesen sei).
Wärme dürfte viel teurer werden
Dies allerdings immer unter der Prämisse der Wirtschaftlichkeit, wonach sich nicht jeder Hausanschluss lohnt: «Manchmal sind dezentrale Wärmepumpen direkt beim Kunden die bessere, da günstigere Lösung», weiss Tobias Andrist aus Erfahrung. «Eine Versorgungspflicht, wie sie Opfikon nun vorsieht, ist in diesem Business deshalb ein Problem. Es ist ein anderes Konzept, das auf Solidarisierung der Kosten beruht.» Hinzu kommt für ihn, dass das EBL-Modell bewusst keine einheitlichen Tarife kennt. Bei einer Vereinheitlichung, wie vom Stadtrat verlangt, würden grosse Abnehmer, die bessere Verbrauchscharakteristiken haben und deshalb günstiger einkaufen oder eigene Lösungen installieren könnten, die kleineren sozusagen querfinanzieren. Ob diese dann einen solchen Vertrag überhaupt unterzeichnen würden, stellt Andrist zumindest in Frage.
Preisberechnung schwierig
Fiele mit der ausgebooteten EBL nun ein Vertragspartner weg, würden wohl auch die bereits unterzeichneten Liefer- und Abnahmeverträge nichtig. Und es ist unwahrscheinlich, dass Digital Realty mit Energie Opfikon einen ähnlich vorteilhaften Deal eingehen würde: Auch die Amerikaner haben gemerkt, dass (Ab-)Wärme etwas ist, womit man Geld verdienen kann, statt sie übers Dach «entsorgen» zu müssen.
Ungleiche Vorstellungen haben EBL und Stadtrat auch bei der Preisbildung. Der Stadtrat verlangt von Konzessionären ein Cost-Plus-Modell, um die Preisregulierung zugunsten der Bevölkerung (für sie also so günstig wie möglich) zu gewährleisten: Den Gesamtkosten für Lieferung von heissem Wasser wird ein angemessener Gewinnaufschlag hinzugefügt, was den Verkaufspreis ergibt. «Allerdings sind die Gestehungskosten bei einem laufenden und wachsenden Projekt wie diesem noch unklar», wendet Fachmann Tobias Andrist ein. «Diese Art der Berechnung eignet sich nur dann, wenn die Infrastruktur bereits besteht.» Dies ist beim Opfiker Wärme- und Kältenetz aber nicht der Fall.
EBL bleibt optimistisch
Die mit den Kunden bereits abgeschlossenen Wärmelieferverträge, die auf ganz anderen Preisberechnungen beruhen, liessen sich gemäss Tobias Andrist so gar nicht erfüllen. Was diese Kunden, welche sich mit dem Wärmeliefervertrag verpflichtet und sich intensiv mit dem Preismodell auseinandergesetzt haben, von einem Wechsel des Tarifsystems halten, ist noch nicht klar. «Böte man allen Kunden die Preise der Grosskunden an, so wäre das Projekt wirtschaftlich mit hohen Risiken behaftet», drückt es Tobias Andrist diplomatisch aus. Will heissen: Die Rechnung geht für die Betreiberin nicht mehr auf.
Tobias Andrist jedoch möchte nach wie vor eine gute Lösung für alle Parteien finden. Er schliesst auch nicht aus, dass EBL – in Absprache mit Energie Opfikon – noch einmal um eine Konzession ersucht. Die Aufforderung des Stadtrates an EO, eine Baueingabe zu machen und bis zum 25. September 2025 einen Terminplan vorzulegen, stelle für die Zusammenarbeit jedoch eine Herausforderung dar, denn es müssen die unterschiedlichen Interessen – nicht zuletzt jener der bereits akquirierten Grosskunden – adressiert werden. Bis dahin würden die Planungen vonseiten der EBL so weit wie möglich weitergehen; alle anderen Aspekte seien so weit gediehen, dass man mit dem Bau in nicht zu ferner Zukunft starten könnte, sofern sich die Partner einigten, dass das Konzessionsthema geregelt und der Standort gemeinsam genutzt werden kann. Aber auch die Wirtschaftlichkeit werde unter der neuen Prämisse sauber abgeklärt. «Es ist ein Superprojekt, sofern es professionell aufgesetzt wird», findet Tobias Andrist. Und: «Wir sind weiterhin interessiert an einer Zusammenarbeit. Opfikon hat ein Fernwärmenetz verdient.»